In letzter Zeit haben Amazon Marketplace-Händler vermehrt mit einem Phänomen zu tun, das aus den Besonderheiten des Design- und Gebrauchsmusterrechts resultiert: Die Anmeldung eines Designs beim DPMA oder eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters beim EUIPO wird von den Ämtern so gut wie nicht geprüft. Insbesondere die Rechtsgültigkeit des angemeldeten Geschmacksmusters oder Designs prüfen die Ämter nicht. Alleine der Umstand, dass das Muster eingetragen ist, heißt längst nicht, dass das Design oder Gemeinschaftsgeschmacksmuster im Anmeldezeitpunkt auch neu war und Eigenart hatte. Das prüfen nämlich weder das DPMA noch das EUIPO. Dementsprechend sind die Register gefüllt mit „Quatscheintragungen“, aus denen die Inhaber keine Rechte ableiten können, da den Mustern im Anmeldezeitpunkt die Schutzvoraussetzungen „Neuheit“ und „Eigenart“ gefehlt haben.
Im Zweifel sperrt Amazon ASIN der Mitbewerber
Wenn im Fall einer Rechtsverletzung nicht der angebliche Verletzer, sondern ein Dritter (Amazon) auf die Rechtsverletzung hingewiesen wird, wird auch ein unsinnige Geschmacksmuster- oder Designeintragung zur wirksamen Waffe: Amazon muss das Angebot entfernen, um zu vermeiden, nicht selbst als Störer einer Schutzrechtsverletzung in Anspruch genommen zu werden. Amazon hat daher überhaupt kein Interesse an einem „Stellvertreterkrieg“ mit dem Geschmacksmusterinhaber. Insbesondere hat Amazon kein Interesse, für einen Händler komplizierte Auseinandersetzungen über die Rechtsbeständigkeit und den Schutzumfang eines Geschmacksmusters zu führen.
Wenn also Amazon auf eine angebliche Verletzung beispielsweise eines Gemeischaftsgeschmacksmusters an einer Sonnenbrille aufgrund eines Angebots einer ähnlichen Sonnenbrille hingewiesen wird, wird Amazon diese ASIN sperren, selbst wenn diese Sonnebrille im Anmeldezeitpunkt tatsächlich bereits seit Jahrzehnten vertrieben wurde und das Geschmackmuster deshalb nicht neu gewesen sein kann. Unwirksame Geschmacksmuster- oder Designanmeldungen sind daher – zunächst – eine wirksames Mittel, um unliebsame Konkurrenten sperren zu lassen. Man muss hierfür nur ein Geschmacksmuster anmelden, das den Konkurrenzprodukten im Erscheinungsbild entspricht oder ähnelt. Anschließend legt man Amazon den Registerauszug vor und behauptet eine Verletzung dieses Geschmacksmusters (Designs) durch Angebote eines Mitbewerbers.
Nichtigkeitsantrag des Mitbewerbers
Was kann der Mitbewerber hiergegen tun? Zunächst kann er das Geschmacksmuster oder Design vor dem betreffenden Amt für nichtig erklären lassen. Anträge auf Erklärung der Nichtigkeit kosten beim EUIPO 350 Euro je Geschmacksmuster und beim DPMA 300 Euro je Design. Wer ein Nichtigkeitsverfahren vor dem Amt verliert, muss dem Gegner üblicherweise auch – zumindest teilweise – die Anwaltsgebühren für das Nichtigkeitsverfahren erstatten. Amtliche Nichtigkeitsverfahren dauern aber recht lange und Umsatzausfälle aufgrund eines gesperrten Angebots drücken schnell aufs Portmonnaie.
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen gezielter Behinderung
Hier kann ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung helfen. Zumindest, wenn der Inhaber des Geschmacksmusters oder Designs schon einmal darauf hingewiesen wurde, dass das Geschmacksmuster oder Design nicht rechtsbeständig ist, kann ein solches Verfahren erfolgsversprechend sein. Denn spätestens, wenn der Geschmacksmusterinhaber auf die Unwirkamkeit seines Designs oder Geschmackmusters hingewiesen wurde und dennoch die Angebote nicht freigibt oder nach einer zwischenzeitlichen Freigabe (so im Fall LG Düsseldorf, Urteil v. 6.2.2019 – 34 O 50 /18) erneut sperren lässt, ist die Behauptung gegenüber Amazon, ein Angebot verletze ein (tatsächliches nicht rechtsbeständiges) Geschmackmsuter oder Design, eine unlautere gezielte Behinderung nach § 4 Nr. 4 UWG.