Zwar entfielen 50,7 Prozent der abgegebenen Stimmen für die Annahme, jedoch wurde die erforderliche Kantonsmehrheit (Ständemehr) nicht erreicht (8,5 ja zu 14,5 nein). Die KVI sah die gesetzliche Einführung von Sorgfaltsprüfungen inklusive Berichterstattung in den Bereichen Menschenrechten und Umwelt für alle Unternehmen und die gesamte Lieferkette vor. Gemäß einem neuen Haftungstatbestand sollte die Haftung von schweizerischen Unternehmen auch das Fehlverhalten von Tochterunternehmen und wirtschaftlich abhängigen Zulieferern im Ausland vor Gerichten der Schweiz erfassen. Keine Haftung sollte greifen, falls das Unternehmen die Einhaltung der Sorgfaltsprüfung beweisen kann.
Mit der Ablehnung der KVI kommt nun der Gegenvorschlag von Bundesrat und Parlament zum Zug. Im Vergleich zur KVI enthält der Gegenvorschlag folgende weniger eingriffsintensive Vorgaben für Unternehmen:
- CSR-Berichterstattungspflichten
Der Gegenvorschlag führt neue CSR-Berichterstattungspflichten ein über Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange sowie Menschenrechte und Korruption für Unternehmen mit über 500 Mitarbeitern, Bilanzsumme über 20 Mio. CHF und Umsatz über 40 Mio. CHF. Bei Verstößen kann es ein Bußgeld bis 100 000 CHF geben.
- Sorgfaltsprüfpflichten
Der Gegenvorschlag führt neue Sorgfaltsprüfpflichten für Unternehmen ein für:
- die vier Konfliktmineralien Zinn, Tantal, Wolfram und Gold für Unternehmen ab bestimmten Einfuhr- und Bearbeitungsmengen (Bundesrat legt fest) und
- den Einsatz von Kinderarbeit (Ausnahmen für KMU, Bundesrat legt fest).
Die Sorgfaltsprüfungen enthalten hierzu die Einführung eines Lieferkettenmanagementsystems, die Ermittlung von Risiken, Ergreifen von Minimierungsmaßnahmen, externe Prüfungen und Berichterstattung. Eine Haftung der Schweizer Unternehmen bei Fehlverhalten von Tochterunternehmen oder wirtschaftlich abhängigen Zuliefern wird nicht eingeführt. Es bleibt wie bisher bei der Haftung eines ausländischen Tochterunternehmens oder wirtschaftlich abhängigen Zulieferers vor ausländischen Gerichten.
Bewertung
Die Bestimmungen zur CSR-Berichterstattung und zu Konfliktmineralien sind im Wesentlichen vergleichbar mit den bereits bestehenden EU-Regulierungen (CSR-Berichterstattungsrichtlinie 2014/95/EU und EU-Konfliktmineralienverordnung 2017/821), die bereits für die EU-Staaten in Kraft getreten sind. Zur Kinderarbeit hat sich der Gegenvorschlag an dem bestehenden niederländischen Gesetz orientiert. Eine zivilrechtliche Lieferkettenhaftung wird nicht eingeführt.
Situation in Deutschland
In Deutschland wird seit Sommer zwischen den Bundesministerien BMAS, BMZ und BMWi über ein Eckpunktepapier für ein „Bundesgesetz über die Stärkung der unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in globalen Wertschöpfungsketten (Sorgfaltspflichtengesetz)“ verhandelt. Ein wesentlicher Streitpunkt ist die Einführung einer zivilrechtlichen Lieferkettenhaftung. Nach letzten Informationen gibt es zwischen den Ressorts noch keine Einigung, jedoch ist es möglich, dass diese zeitnah erfolgt.
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