Nachfolgend geben wir Ihnen wieder einen umfassenden Überblick über wichtige aktuelle Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) und anderen vergleichbaren Sorgfaltsanforderungen im nationalen Kontext:
- BAFA und Umsetzung des Lieferkettengesetzes
a.) Besetzung neuer Stellen, Beirat nimmt Arbeit auf
Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) ist für die behördliche Kontrolle und Durchsetzung des Lieferkettengesetzes zuständig. Es erhält hierfür rund 65 Vollzeitstellen, die in der Außenstelle in Borna (Sachsen) angesiedelt sind. Mit der Verabschiedung des Haushaltsgesetzes 2022 im Juni hat das BAFA nunmehr die formelle Freigabe für die Neubesetzung erhalten, so dass die ersten Referatsleiter- und Referentenposten inzwischen besetzt werden konnten. Den Organisationsplan des BAFA finden Sie übrigens hier.
Das BAFA soll bei der Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben von einem Beirat begleitet und beraten werden, etwa im Hinblick auf die Handreichungen und personelle Ausstattung. Der Beirat hat am 17. Mai 2022 seine Arbeit aufgenommen und soll sich zwei Mal im Jahr ordentlich treffen. Seine Mitglieder wurden aus der Mitte der Arbeitsgruppe Wirtschaft und Menschenrechte des Nationalen CSR-Forums der Bundesregierung berufen. Die Wirtschaftsverbände werden von der BDA vertreten.
b.) Prüfkonzepte für die behördliche Kontrolle, Berichtsfragebogen
Im Februar hatte das BAFA zwei Konsortien bestehend aus mehreren Dienstleistern mit der Ausarbeitung und Entwicklung von Prüfungskonzepten für die behördliche Kontrolle und Berichtspflichten (was wird geprüft?) sowie für deren (technische) Umsetzung, einschließlich Ablauf und Methodik des Prüfvorgangs (wie wird geprüft?), beauftragt. Erste Entwürfe sollen bereits geliefert worden sein und sich in Abstimmung zwischen den zuständigen Bundesministerien und dem BAFA befinden.
Im Hinblick auf die Berichtspflichten hat das BAFA inzwischen erste Informationen veröffentlicht. Danach soll sich der jährlich einzureichende Bericht (§ 10 Abs. 2 LkSG) „aus den Antworten auf einen strukturierten Fragebogen“ generieren. Die berichtspflichtigen Unternehmen sollen durch die vollständige und wahrheitsgemäße Beantwortung des Fragebogens und der Veröffentlichung des daraus generierten Berichts auf der firmeneigenen Internetseite ihrer Berichtspflicht nachkommen. Der noch in Abstimmung befindliche Fragebogen soll geschlossene und offene Fragen sowie Multiple Choice enthalten. Seine Veröffentlichung wird für September erwartet. Weitere Informationen hierzu finden Sie auf der BAFA-Seite.
c.) Handreichung zur Risikoanalyse, Rechtsverordnungen
Das BAFA soll gemäß § 20 LkSG branchenübergreifende und branchenspezifische Informationen, Hilfestellungen und sonstige Empfehlungen zur Einhaltung des LkSG bereitstellen.
Als eine solche Handreichung werden bereits die von BMWK, BMAS und dem BAFA gemeinsam ausgearbeiteten „Fragen und Antworten zum Lieferkettengesetz“ betrachtet. Diese FAQ sind auf der Seite des BMAS und des BAFA veröffentlicht.
Weitere Handreichungen sollen auf Grundlage der Erkenntnisse und Empfehlungen der für die Erstellung der Prüfkonzepte beauftragten externen Dienstleister folgen. Hierzu zählt insbesondere die Handreichung zur Risikoanalyse, die voraussichtlich erst Ende August oder im September auf der Seite des BAFA erscheinen wird. textil+mode hat gegenüber dem BAFA angeregt, die Handreichung auch auf Englisch zur Verfügung zu stellen.
Von der Möglichkeit zum Erlass von Rechtsverordnungen, etwa zur näheren Regelung der Pflichten gegenüber mittelbaren Zulieferern, will die Bundesregierung dagegen gegenwärtig keinen Gebrauch machen. Das federführende BMAS und BMWK sind der Ansicht, dass die Handreichungen und Prüfkonzepte ausreichend sind.
- Code of Conduct der deutschen Textil- und Modewirtschaft: Begleitinstrumente
Um die Anwendung bzw. Umsetzung des Code of Conduct der deutschen Textil- und Modewirtschaft zu erleichtern, werden demnächst begleitende Hilfestellungen insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen angeboten, etwa in Form von Merkblättern mit Erläuterungen und Hinweisen zur Umsetzung, Muster-Selbstauskunftsbogen für Lieferanten, Webinare o. Ä.
Die Begleitinstrumente sollen auch die angekündigten behördlichen Anforderungen und Hinweise des BAFA zum Lieferkettengesetz (Handreichung für Risikoanalyse, Berichtsfragebogen, FAQ etc.) angemessen berücksichtigen bzw. auf diese entsprechend verweisen. Gleiches gilt – soweit relevant – für die Leitfäden der OECD, des NAP-Branchendialogs Automobilindustrie, des Textilbündnisses und anderer relevanter Initiativen.
Hintergrund: Im Mai haben der Gesamtverband textil+mode und der Handelsverband HDE den Code of Conduct der deutschen Textil- und Modewirtschaft veröffentlicht. Mit dem Code of Conduct haben Handel und Industrie erstmalig einen gemeinsamen Verhaltenskodex für verantwortungsbewusstes unternehmerisches Handeln in den Branchen der deutschen Textil- und Modewirtschaft herausgegeben.
Der Branchenkodex orientiert sich an international etablierten Maßstäben und deckt die für die Branchen relevanten Verhaltensgrundsätze und -standards unter besonderer Berücksichtigung der Ausgangslage von KMU ab. Er thematisiert die Bereiche Menschenrechte und Arbeitsstandards, ökologische Verantwortung und ethisches Wirtschaften einschl. Compliance und formuliert darüber hinaus Anforderungen an die Umsetzung dieser Mindeststandards. Als freiwillige Selbstverpflichtung konzipiert, kann der Code of Conduct von allen Unternehmen der Branchen genutzt werden. Damit sollen vor allem mittelständische Textil- und Modeunternehmen auf die steigenden unternehmerischen Sorgfaltsanforderungen vorbereitet werden, die beispielsweise von ihren Vertragspartnern aufgrund des Lieferkettengesetzes an sie weitergereicht bzw. adressiert werden.
- Nationaler Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP)
Parallel zur Umsetzung des Lieferkettengesetzes schreiten auch die zahlreichen nicht-gesetzlichen, gleichwohl politisch nicht weniger bedeutsamen Initiativen zu lieferkettenbezogenen Sorgfaltsanforderungen unvermindert fort. Hierzu gehört insbesondere der 2016 beschlossene Nationale Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) der Bundesregierung in Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte:
a.) NAP 2.0
Die Ampel-Koalition hat in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, „den nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte im Einklang mit dem Lieferkettengesetz“ zu überarbeiten. Die Grundlage hierfür soll der vom Auswärtigen Amt im Jahr 2021 in Auftrag gegebene Status-Quo-Bericht („National Baseline Assessment“) des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMR) bilden. Dieser wurde inzwischen finalisiert und im Juni 2022 an das Auswärtige Amt übermittelt.
Der umfassende Bericht beschreibt „Umsetzungslücken“ des bisherigen Aktionsplans und formuliert rund 150 Empfehlungen und Forderungen für dessen Fortschreibung („NAP 2.0“), wie etwa die Einbeziehung umweltbezogener Sorgfaltspflichten, Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen für in Deutschland lebende Arbeitskräfte aus dem Ausland, stärkere Berücksichtigung weiterer internationaler Rahmenwerke und Standards wie die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen oder die UNGP+10-Roadmap sowie stärkere Kohärenz mit EU-Gesetzen bzw. -vorhaben (EU-Lieferkettenrichtlinienvorschlag, Sustainable Finance etc.). Ein erster Entwurf des NAP 2.0 soll nach aktueller Planung im Herbst veröffentlicht und diskutiert werden.
b.) NAP-Branchendialog Automobilindustrie
Im Rahmen der Umsetzung des NAP soll das BMAS Stakeholder-Dialoge mit Branchen durchführen, die besondere menschenrechtliche Herausforderungen aufweisen. Diese Branchendialoge sollen die Unternehmen dabei unterstützen, die NAP-Anforderungen (Kernelemente menschenrechtlicher Sorgfalt) umzusetzen. Von diesen geplanten Branchendialogen konnte bislang aber nur der „Branchendialog Automobilindustrie“ realisiert werden. Der geplante Branchendialog mit dem Maschinen- und Anlagenbau gilt dagegen als gescheitert, nachdem der VDMA Ende 2021 seine Absage erklärte.
Im Rahmen des Branchendialogs Automobilindustrie werden demnächst Handlungsanleitungen (Leitfäden) zur Umsetzung des NAP einschließlich einer Muster-Grundsatzerklärung veröffentlicht.
Die inhaltliche Abstimmung sei Ende Juni erfolgt. Nun sollen die Dokumente redigiert und demnächst u. a. hier veröffentlicht werden (vsl. August). Die Handreichungen seien auch für Unternehmen und Branchen außerhalb der Automobilbranche anwendbar. Inwieweit diese auch für die Umsetzung des Lieferkettengesetzes anwendbar bzw. hilfreich sein werden, bleibt abzuwarten. Das BAFA beabsichtigt jedenfalls, sich hierzu nach der Veröffentlichung zu äußern.
- OECD-Leitsätze
Die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen sind der umfassendste internationale Standard für verantwortungsvolle Unternehmensführung in den Lieferketten. Sie haben durch den Beschwerdemechanismus gegen Unternehmen vor den Nationalen Kontaktstellen (NKS) einen speziellen Umsetzungsmechanismus. In Deutschland ist die NKS beim BMWK angesiedelt.
Die OECD hat beschlossen die Leitsätze zu überarbeiten. Grundlage für diese Entscheidung bildet das 2020 eingeleitete Evaluationsverfahren, das im Mai mit der Veröffentlichung des Stocktaking report on the OECD Guidelines for Multinational Enterprises endete. In dem Report wird festgestellt, dass die OECD-Leitsätze weiterhin relevant sind, es allerdings seit der letzten Revision im Jahr 2011 in verschiedenen Bereichen Überarbeitungsbedarf gebe.
In den vergangenen Wochen fanden erste informelle Stakeholder-Konsultationsrunden statt, an denen auch die BDA beteiligt war. Aus diesen Runden wurde deutlich, dass bei der anstehenden Überarbeitung der OECD-Leitsätze insbesondere folgende Themen auf der Agenda stehen:
- Verbindlichkeit der OECD-Leitsätze und Änderung des Freiwilligkeitsprinzips (vgl. Teil I, Kap. I, Nr. 1, S. 3 beruht bislang die „Beachtung der OECD-Leitsätze durch die Unternehmen … auf dem Prinzip der Freiwilligkeit“)
- Aufnahme des Klimawandels und des Klimaschutzes in das Umweltkapitel (Kapitel VI)
- Implementierung von umweltrechtlichen Sorgfaltspflichten für Unternehmen (environmental due diligence)
- Reichweite und Verantwortung von Unternehmen für die globale Lieferkette (bislang sehen die OECD-Leitsätze vor, dass im Rahmen von Geschäftsbeziehungen die Verantwortung von dem Verursacher eines negativen Effekts nicht auf das Unternehmen verlagert wird, mit dem der Verursacher eine Geschäftsbeziehung unterhält, vgl. Teil I, Kap. II, A Nr. 12, S. 2)
- Erhöhung der Verbindlichkeit des Beschwerdeverfahrens (Änderungen in den Kapiteln „Verfahrenstechnische Anleitungen“ und „Erläuterungen zu den Umsetzungsverfahren“)
- Reform der Nationalen Kontaktstellen (NKS)
Ein erster Änderungsentwurf soll bereits im September bereitgestellt werden, gefolgt von einem umfangreichen Abstimmungsprozess. Die Verabschiedung der überarbeiteten Leitsätze soll dann nächstes Jahr im OECD-Ministerrat (Mai/Juni 2023) erfolgen.
- Überarbeitung des BDI-Papiers „Zehn Punkte für faire und nachhaltige Zuliefererbeziehungen“
2015 veröffentlichte der BDI ein Papier, in dem „zehn Punkte für faire und nachhaltige Zuliefererbeziehungen“ formuliert wurden. Das BDI-Papier soll keinen festen Handlungsrahmen für die konkrete unternehmerische Praxis festlegen, dafür aber eine gute Grundlage für weitere Arbeiten und einen konstruktiven Dialog zwischen Unternehmern aller Größen, Wertschöpfungsstufen und Branchen bieten.
Der BDI plant das Papier zu aktualisieren und an die aktuellen Entwicklungen anzupassen. Als Impulsgeber hierfür gilt auch das vergleichbare Papier des VDA vom 22. Juni 2022.
Sollten Sie konkrete Anregungen für die Überarbeitung haben, können Sie uns diese gerne bis 15. August 2022 zukommen lassen.