Die Einrichtung interner Meldekanäle sieht das deutsche Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) vor, welches am 2. Juni im Bundesgesetzblatt verkündet wurde und bereits zum 2. Juni 2023 in Kraft tritt. Mit dem Gesetz wird die Europäische Hinweisgeberrichtlinie (EU) 2019/1937 in Deutschland – verspätet – umgesetzt.
Regelungszweck des Gesetzes
Das Gesetz soll Beschäftigte oder andere Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über bestimmte rechtswidrige Handlungen oder Unterlassungen erlangt haben, vor Repressalien schützen, wenn sie diese Informationen an interne oder externe Meldestellen melden oder offenlegen. Repressalien können etwa Kündigung, Herabstufung oder Versagung einer Beförderung oder sonstige Disziplinarmaßnahmen sein. Hinweisgebende Personen haben nach dem HinSchG das Wahlrecht, sich bezüglich solcher Verstöße und Missstände an eine (staatliche) externe Stelle zu wenden oder an die interne Meldestelle im Unternehmen, welche bei Unternehmen mit in der Regel mindestens 50 Beschäftigten hierzu eingerichtet werden muss.
Seminar zum Hinweisgeberschutzgesetz für KMU am 20. Juli 2023 in Bodelshausen
Einrichtung eines Meldekanals
Beschäftigte müssen die Möglichkeit erhalten, Meldungen in mündlicher oder in Textform an die interne Meldestelle zu richten. Die Meldestelle selber muss eine Vielzahl von technischen, prozessualen und dokumentarischen Anforderungen erfüllen. Das HinSchG sieht hierzu vor, dass sowohl unabhängige und fachkundige Beschäftigte als auch externe Meldestellenbeauftragte mit dem gleichen Anforderungsprofil die Meldestelle betreiben können.
Ausufernder sachlicher Anwendungsbereich
Geht bei der Meldestelle ein Hinweis ein, muss die Meldestelle prüfen, ob die Meldung überhaupt einen möglichen Verstoß gegen eine Norm beinhaltet, für welche das Gesetz anwendbar ist. Hierunter fallen alle strafrechtlich relevanten Verstöße, aber auch bußgeldbewehrte, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient. Aber auch einzelne Verstöße gegen Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder sowie gegen unmittelbar geltende Rechtakte der EU fallen in den Anwendungsbereich. Diese Vorschriften sind dabei meist nicht im Einzelnen konkret, sondern nur thematisch benannt, also z.B.: Vorschriften „mit Vorgaben zum Umweltschutz“.
Vertraulichkeit ist sicherzustellen
Meldekanäle müssen technisch und organisatorisch so sicher konzipiert, eingerichtet und betrieben werden, dass die Vertraulichkeit der Identität der hinweisgebenden Person und Dritter, die in der Meldung erwähnt werden, gewahrt bleibt. Nicht befugten Mitarbeitern muss der Zugriff darauf verwehrt werden (Vertraulichkeitsgebot). Eine Pflicht zur Ermöglichung einer anonymen Meldung sieht das Gesetz hingegen nicht vor. Es wird lediglich vorgegeben, dass die Stellen auch anonym eingehende Meldungen bearbeiten sollen. Pflichten der Meldestelle Die Meldestelle muss u.a. die Meldungen dokumentieren und der hinweisgebenden Person den Eingang der Informationen zu Verstößen im Unternehmen innerhalb einer Frist von sieben Tagen bestätigen. Die gemeldeten Verstöße müssen anhand der Informationen der hinweisgebenden Person untersucht und wirksame Folgemaßnahmen getroffen werden. Spätestens nach 3 Monaten muss die interne Meldestelle die hinweisgebende Person über die getroffenen oder geplanten Folgemaßnahmen informieren. Die Meldungen müssen unter weiterer Wahrung des Vertraulichkeitsgebotes in dauerhaft abrufbarer Weise für drei Jahre dokumentiert und anschließend sicher gelöscht werden.
Pflichten des Hinweisgebers
Der Hinweisgeber wird durch das Gesetz zwar vor Repressalien geschützt. Dies gilt allerdings nur, wenn er bei der Meldung auch einen „hinreichenden Grund zu der Annahme“ hatte, dass die Informationen über Verstöße zum Zeitpunkt der Meldung auch der Wahrheit entsprechen. Bei grob fahrlässiger oder vorsätzlich falscher Meldung macht er sich schadensersatzpflichtig. Der Öffentlichkeit dürfen Informationen nur zugänglich gemacht werden, wenn diese vorher ohne Reaktion oder Behebung des Missstandes über die internen oder externen Meldekanäle gemeldet wurden. Bei einer Offenlegung wissentlich falscher Informationen kann der meldenden Person außerdem ein Bußgeld auferlegt werden.
Handlungspflichten der Unternehmen
Obwohl das Gesetz primär eigentlich „nur“ den Schutz der Hinweisgebenden vor Repressalien sicherstellen will, sind die weiteren Regelungen im Gesetz zur Einrichtung des internen Meldekanals mit weitreichenden Pflichten für die Unternehmen verbunden, die nicht zu unterschätzen sind. Diese müssen, wenn sie nicht kostenpflichtig einen externen Dritten mit den Aufgaben der Meldestelle betrauen wollen, im Unternehmen jemanden finden und bestellen, der die notwendige Fachkunde hat, die Aufgaben übernimmt und diesen entsprechend schulen. Datenschutzrechtliche Anforderungen, aber auch Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates sind bei der Einführung des Meldesystems zu beachten. Informationen über die Nutzung des internen als auch möglicher externer Meldekanäle müssen erstellt, für die Beschäftigten vorgehalten und leicht zugänglich sein.
Unternehmen drohen Sanktionen
Das Gesetz sieht Bußgelder für Unternehmen vor, die gegen die Regelungen verstoßen. Das beinhaltet zum Beispiel ein Bußgeld in Höhe von bis zu 20.000 Euro, wenn trotz Verpflichtung kein interner Meldekanal zur Verfügung gestellt wird oder eines in Höhe von bis zu 50.000 Euro bei Repressalien gegenüber Hinweisgebern. Die Bußgeldvorschrift zur Ahndung eines Verstoßes gegen die Pflicht zur Einrichtung interner Meldeverfahren wird allerdings, aufgrund der kurzen Umsetzungsfrist für die Unternehmen, gemäß der Übergangsregelung erst ab 1. Dezember 2023 angewendet.
Kontakt:
RA Kai-Uwe Götz, Syndikusrechtsanwalt Gesamtmasche
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