BfE Sprecher Holler: „Die Lage ist alles andere als entspannt, die Schlinge um den Hals mittelständischer Industrieunternehmen zieht sich immer weiter zu.“
Der energieintensive Mittelstand wird mit den gestiegenen Stromkosten weiterhin allein gelassen, obwohl immer mehr energieintensive Produktion aus Deutschland abwandert. Von einer Entspannung der Lage bei den Energiekosten kann keine Rede sein, so Christoph René Holler, Sprecher für das Bündnis faire Energiewende (BfE), dem auch der Gesamtverband textil+mode angehört: „Die Stromkosten, die ein Vielfaches dessen betragen, was Mitbewerber in und außerhalb Europas zahlen, führen schon jetzt zum Abfließen von Investitionen ins Ausland und verstärkt auch zur Aufgabe von Standorten in Deutschland. Damit hat die viel befürchtete De-Industrialisierung Deutschlands begonnen. Der energieintensive Mittelstand wird allein gelassen, die Schlinge um den Hals der Unternehmen am Standort Deutschland zieht sich immer weiter zu.“
So berichtet ein Unternehmen aus der Stahl- und Metallverarbeitung, dass es aufgrund der Energiekosten bereits Teile seiner Produktion nach China verlagert hat. Ein anderes Unternehmen beziffert die kurzfristige Steigerung der Netzentgelte um gut 40 Prozent zum 1. Januar 2024 auf 350.000 Euro, die nicht über die Preise an die Kunden weitergegeben werden können. Im Vergleich zu den USA ist Strom in Deutschland drei bis vier Mal so teuer. Auch im Vergleich zu Frankreich zahlen deutsche Unternehmen 40 bis 80 Prozent mehr. „Das ist die Realität, der sich deutsche Mittelständler jeden Tag zu stellen haben“, so BfE-Sprecher Holler, und „nicht die Beruhigungspillen der Bundesregierung, wonach sich die Märkte für Strom und Gas wieder stabilisiert hätten.“
Der Bundesregierung sind all diese Berichte aus den Unternehmen bekannt, aber es ist bisher kein wirksames und umfassendes Gegensteuern zu erkennen. Der nach wie vor nicht wettbewerbsfähige Strompreis hat keine konjunkturellen, sondern strukturelle Gründe, die ihren Ursprung bereits vor dem russischen Krieg auf die Ukraine und dem damit verbundenen Gas-Stopp haben.
Das Bündnis Faire Energiewende fordert die Bundesregierung deshalb zu einem schnellen Handeln auf. Folgende Schritte müssen jetzt schnell umgesetzt werden:
1. Die Energiepolitik in Deutschland muss den Anspruch und das Ziel haben und alles dafür tun, den Unternehmen Strom zu international wettbewerbsfähigen Preisen zur Verfügung zu stellen. Hohe Stromkosten in Deutschland sind kein Schicksal, sondern die Folge verfehlter Energiepolitik.
2. Alle Ansätze, die Stromkosten zu deckeln oder den Aufwand für den Netzausbau zeitlich zu strecken, müssen sich an der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen messen lassen.
3. Die Netzkosten werden durch den notwendigen massiven Aus- und Umbau der Energienetze in den nächsten Jahren massiv ansteigen. Es muss deshalb darüber nachgedacht werden, wie dieser Ausbau möglichst kosteneffizient erfolgen kann, z. B. indem man auf Erdverkabelung weitgehend verzichtet und zum Bau von Freileitungen zurückkehrt.
4. Zudem dürfen die Netzentgelte die Unternehmen und Verbraucher nicht überfordern, so dass die Finanzierung der Netzkosten zeitlich über einen langen Zeitraum gestreckt oder auch mindestens teilweise durch Haushaltsmittel finanziert werden müssen, wie es z. B. beim Straßen- und Schienennetz auch geschieht.
5. Förderprogramme zur Defossilisierung, wie etwa Klimaschutzverträge, müssen für den Mittelstand in der Praxis nutzbar sein und mit einfachen Verfahren beantragt werden können.
6. Die Politik muss bereit sein, auch die Zusatzkosten durch das Instrument der CO2-Bepreisung kritisch zu hinterfragen, gerade im Hinblick auf mittelständische Unternehmen und mit Rücksicht auf das fehlende internationale Level-Playing-Field im Klimaschutz. Ein wirksamer und praktikabler Carbon-Leakage-Schutz ist für die Unternehmen deshalb essenziell.
7. Die Politik muss einen nachvollziehbaren, verlässlichen und finanziell langfristig abgesicherten Rahmen für den Umstieg in klimaneutrale Formen der Energieerzeugung und der Produktion schaffen, der den Standort und die Beteiligten nicht überfordert.
Zum Bündnis Faire Energiewende zählen:
• Bundesverband der Deutschen Gießerei-Industrie BDG, www.guss.de
• Bundesverband Keramische Industrie e. V., www.keramverbaende.de
• Bundesverband der Energieabnehmer e. V., www.vea.de
• Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie e. V., www.textil-mode.de
• Gesamtverband Kunststoffverarbeitende Industrie e. V., www.gkv.de
• wdk Wirtschaftsverband der deutschen Kautschukindustrie e. V., www.wdk.de
• WSM Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung e. V., www.wsm-net.de
• Deutsche Feuerfest-Industrie e. V., www.dffi.de
• Industrieverband Feuerverzinken e. V., www.feuerverzinken.com
Die Verbände im Bündnis Faire Energiewende vertreten branchenübergreifend mehr als 10 000 deutsche Unternehmen mit ca. einer Million Beschäftigten und etwa 200 Milliarden Euro Jahresumsatz.
Der Querschnittsverband Bundesverband der Energieabnehmer vertritt zudem etwa 4 500 Unternehmen aus allen Branchen.
Weitere Informationen auf www.faire-energiewende.de