Weitere Lieferkettenregulierung: EU-Zwangsarbeitsverordnung Bild: © Gerd Altmann - pixbay.com

Weitere Lieferkettenregulierung: EU-Zwangsarbeitsverordnung

Neben dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und der EU-Entwaldungsverordnung kommt eine weitere Lieferkettenregulierung mit entsprechender Bürokratie auf die Unternehmen zu. Auch KMU sind betroffen.

 

EU-Zwangsarbeitsverordnung beschlossen

Nachdem das EU-Parlament bereits am 23.04.2024 dem finalen Verordnungstext der „Verordnung über ein Verbot von in Zwangsarbeit hergestellten Produkten auf dem Unionsmarkt“, kurz: Zwangsarbeitsverordnung (oder Forced Labour Regulation, FLR) zugestimmt hatte, hat nun auch der EU-Rat am 19.11.2024 die Verordnung gebilligt. Die Verordnung tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft und gilt drei Jahre nach dem Tag des Inkrafttretens, voraussichtlich ab Januar 2028.

Auch KMU betroffen

Ziel der EU-Zwangsarbeitsverordnung ist die Schaffung eines rechtlichen Rahmens, um zielgerichtet und wirksam gegen alle Produkte vorzugehen, die in Zwangsarbeit hergestellt wurden. Ein Produkt gilt als ein „in Zwangsarbeit hergestelltes Produkt“, wenn Zwangsarbeit auf einer beliebigen Stufe seiner Gewinnung, Ernte, Erzeugung oder Herstellung insgesamt oder teilweise Zwangsarbeit eingesetzt wurde, einschließlich der ein Produkt betreffenden Be- oder Verarbeitung auf einer beliebigen Stufe seiner Lieferkette. Unternehmen sollen zukünftig in Zwangsarbeit hergestellte Produkte auf dem Unionsmarkt weder in Verkehr bringen, bereitstellen, noch ausführen dürfen. Verpflichtet werden dabei alle Wirtschaftsakteure unabhängig von der Unternehmensgröße.

Verbot im Vordergrund

Im Vordergrund steht bei der Verordnung nicht wie beim Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz die unternehmerische Sorgfaltspflicht. Die Zwangsarbeitsverordnung ist rein produktbezogen und stellt auf das konkrete, unter Zwangsarbeit hergestellte Produkt ab, dessen Inverkehrbringen, Bereitstellen oder Ausfuhr verboten wird, unabhängig von einer Kenntnis des Wirtschaftsakteurs oder einer (nicht) wahrgenommenen Sorgfaltspflicht.

Risikobasierter Untersuchungsgrundsatz

Die EU-Kommission richtet hierzu eine zentrale Anlaufstelle für die Übermittlung von entsprechenden Informationen ebenso ein wie eine Datenbank für Bereiche und Produkte mit Zwangsarbeitsrisiko. Kommission und die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten verfolgen einen risikobasierten Ansatz, wenn sie die Wahrscheinlichkeit eines Verstoßes bewerten, Voruntersuchung einleiten und betroffene Produkte und Wirtschaftsakteure ermitteln. Bei der Einleitung einer Voruntersuchung soll sich die zuständige Behörde dabei auf die Wirtschaftsakteure und Produktlieferanten an den Stellen der Lieferkette konzentrieren, die dem Bereich am nächsten liegen, in dem Zwangsarbeit stattfinden könnte. Die Größe und die wirtschaftlichen Ressourcen der betreffenden Wirtschaftsakteure, insbesondere bei KMU, sollen berücksichtigt werden.

Weitreichende Ermittlungsbefugnisse

Dabei räumt die EU-Zwangsarbeitsverordnung den Aufsichtsbehörden weitreichende Ermittlungsbefugnisse ein. Im Rahmen von Voruntersuchungen kann die zuständige Behörde Informationen von Wirtschaftsakteuren z.B. über die Risikominimierung von Zwangsarbeit in der Lieferkette anfordern. Die Wirtschaftsakteure haben hierauf innerhalb von 30 Arbeitstagen zu reagieren. Wird ein begründeter Verdacht festgestellt, leitet die zuständige Behörde eine Untersuchung ein. Hierzu kann sie Wirtschaftsakteure für die Übermittlung von Informationen Fristen setzen, aber auch jede relevante Person, die entsprechend einwilligt, befragen und Kontrollen und Überprüfungen durchführen. Nach Prüfung aller durch die zuständige Behörde eingeholten Informationen und Nachweisen stellt die Kommission fest, ob ein Verstoß gegen das Verbot von Produkten, die in Zwangsarbeit hergestellt wurden, gegeben ist. Kann die Behörde dies nicht positiv feststellen (keine Beweislastumkehr zu Lasten des Wirtschaftsakteurs) ist die Untersuchung einzustellen. Wird ein Verstoß festgestellt, erlässt die zuständige Behörde unverzüglich eine Entscheidung mit dem Inhalt, dass ein Inverkehrbringen, Bereitstellen oder die Ausfuhr des betreffenden Produktes verboten ist. Weiterhin sind die bereits auf dem Markt in Verkehr gebrachten oder bereitgestellten Produkte vom Unionsmarkt zu nehmen. Dies kann durch recyceln oder unbrauchbar machen geschehen. Sind (nur) austauschbare Komponenten eines Produktes von Zwangsarbeit betroffen, ist es ausreichend nur das betroffene Teil auszutauschen und aus dem Verkehr zu ziehen. Soweit die Wirtschaftsakteure der Entscheidung nicht nachkommen, stellen die zuständigen Behörden sicher, dass der Inhalt umgesetzt wird, insbesondere unter Einbeziehung der Zollbehörden. Die Mitgliedstaaten werden zur Durchsetzung der Entscheidungen noch Sanktionsmaßnahmen nach dem jeweiligen nationalen Recht erlassen.

Einordnung der neuen Zwangsarbeitsverordnung

Auch KMUs muss mittlerweile – insbesondere beim Bezug von Produkten aus Drittländern- empfohlen werden, ein entsprechendes Lieferkettenmanagement einzuführen, um zu vermeiden, dass Produkte oder Teile von Produkten unter Zwangsarbeit hergestellt wurden. Zu beachten ist, dass das EU-Verbot von Produkten, die mit Zwangsarbeit hergestellt wurden, auch staatlich organisierte Zwangsarbeit umfasst, und deshalb bei Vorprodukten aus manchen Ländern besondere Vorsicht geboten ist. Eine genaue Kenntnis der eigenen Lieferkette sowie entsprechende Zertifizierungen können das Zwangsarbeitsrisiko minimieren.

Kontakt: RA Kai-Uwe Götz, goetz@gesamtmasche.de