Am 15. Februar 2017 hat das Europäische Parlament dem „umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommen zwischen der EU und Kanada“ (CETA) zugestimmt. Der Zollabbau könnte schon im April 2017 starten. Ab Tag 1 der Anwendung fallen im Textil- und Bekleidungsbereich alle Zölle. Die EU-Kommission erhofft sich durch CETA eine Intensivierung von Handel und Investitionen.
Der kanadische Modemarkt ist 22 Mrd. Euro schwer. In den nächsten fünf Jahren soll der Einzelhandelsumsatz mit Bekleidung um über 8 Prozent wachsen. Stärkste Wachstumskategorie ist die Tagwäsche, für die ein reales Plus von über 13 Prozent prognostiziert wird. Auch Kinderbekleidung liegt nahezu auf diesem Wachstumspfad. Bei Bademode wird ein Plus von 11, bei Strumpfwaren ein Zuwachs von 8 Prozent erwartet. Herrenoberbekleidung soll um fast 9 Prozent zulegen, Damenoberbekleidung um beinahe 7 Prozent.
Marktzugang durch Zollabbau
Die kanadischen Drittlandszölle für Bekleidung betragen derzeit noch 18 Prozent. Auf Haus- und Heimtextilien und andere konfektionierte Textilwaren werden bei der Einfuhr bis auf wenige Ausnahmen 15,5 bis 18 Prozent Zoll fällig. Für textile Vormaterialien, für die es in Kanada keine Herstellung gibt, gilt häufig schon heute der Nullzollsatz. Doch je nach Warentarifnummer existieren noch hohen Zölle. Mit dem Zollabbau wird also ein bedeutendes Handelshemmnis beseitigt. Seit Januar ist es zulässig, Kanada in Lieferantenerklärungen mit dem Zusatz „ab Anwendbarkeit“ anzuführen. Der Handel zu Präferenzbedingungen ist jedoch erst ab dem offiziellen Anwendungsdatum des CETA-Handelsteils möglich, das im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden muss.
Mehr Spielraum bei den Ursprungsregeln
Vom Zollabbau profitieren nur EU-Ursprungswaren im Sinne der präferenziellen Ursprungsregeln, die Kanada und die EU vereinbart haben. Diese folgen im Textil- und Bekleidungsbereich dem gewohnten Prinzip der „Zweistufigkeit“. Die Faustregel lautet: Stricken und Konfektionieren in der EU ergibt Ursprung. Der Garn-Input ist dabei irrelevant. Insgesamt lassen die Regeln jedoch mehr Spielraum als die Paneuromed-Regeln und gestatten teilweise neue Varianten der Ursprungsbegründung, z. B. Stricken und Färben oder Konfektion nach Bedrucken mit einer Wertregel.
Zollkontingente mit vereinfachten Ursprungsregeln
Die EU und Kanada haben präferenzielle Zollquoten für eine ganze Reihe von Textilprodukten vereinbart. Das bedeutet: Bis zu einer jährlichen Höchstmenge gelten für ausgewählte Waren einfachere Ursprungsregeln, um in den Genuss des Nullzollsatzes zu kommen. Als Grundprinzip gilt hier die „Einstufigkeit“. Das ist dann attraktiv, wenn z. B. in der EU konfektioniert wird und dabei Vormaterial aus Ländern außerhalb der EU zum Einsatz kommt. Die Kontingente werden im Windhundverfahren verteilt. Doch Vorsicht: Wer die Zollquoten nutzen will, muss ganz genau hinsehen. Für Kanada und die EU gibt es jeweils getrennte Produktlisten – und auch voneinander abweichende Ursprungsregeln.
Kumulierung mit multilateralen Ambitionen
Zwischen EU und Kanada ist die volle Kumulierung zulässig. Be- und Verarbeitungen, die im Partnerstaat durchgeführt werden, aber noch keinen Ursprung begründen, werden wie im eigenen Land durchgeführt angesehen. Beispiel: In der EU wird ein Gestrick aus Drittlandsgarn hergestellt. Die Ursprungsregeln sind nicht erfüllt. Der kanadische Kunde konfektioniert in Kanada und erhält dadurch Ursprung i. S. d. CETA-Abkommens, da er die Regel „Stricken und Konfektionieren“ erfüllt. Interessant wird die volle Kumulierung vor allem dann, wenn der Abkommensraum auf weitere Länder erweitert wird. CETA ist insbesondere auf die Verbindung mit den NAFTA-Partnern USA sowie Mexiko ausgelegt. Außerdem ist vorgesehen, dass Vormaterial aus gemeinsamen Freihandelspartnern ursprungsunschädlich verwendet werden kann. Dies ist für jeden konkreten Fall jedoch noch gesondert zu vereinbaren. Länder, die sowohl mit der EU als auch mit Kanada ein Freihandelsabkommen haben, sind z. B. die Schweiz, Mexiko, Südkorea, Chile oder Kolumbien.
Ursprungsnachweis per Erklärung – auch für mehrere Sendungen
Das CETA-Abkommen sieht keinen papierbasierten Nachweis in Form einer Warenverkehrsbescheinigung vor. Als Ursprungsnachweis dient eine Ursprungserklärung nach vorgegebenem Wortlaut, die auf der Rechnung oder einem anderen Handelspapier abzugeben ist. Bis zu einer Schwelle von 6.000 Euro pro Sendung kann jeder Exporteur diese Erklärung erstellen. Liegt der Sendungswert darüber, muss der Exporteur als „registrierter Ausführer“ (REX) zugelassen sein. Ein weiteres Novum: Die Ausstellung einer Ursprungserklärung ist für mehrere Sendungen über einen längeren Zeitraum hinweg zulässig, längstens für 12 Monate. Für Sendungen im Rahmen der vollen Kumulierung ist eine Lieferantenerklärung für Waren ohne Ursprungseigenschaft zu verwenden. Diese kann als Langzeiterklärung mit einer Gültigkeit von maximal einem Jahr ausgestellt werden.
Der „REX“: jetzt registrieren
Neben CETA ist der REX ab sofort auch im Rahmen des APS anwendbar. Der Status des REX ist nicht bewilligungsbedürftig. Erforderlich ist ein Antrag auf Zulassung beim zuständigen Hauptzollamt. In einer Übergangsfrist bis Ende 2017 kann statt der REX-Registrierungsnummer noch die Bewilligungsnummer des Ermächtigten Ausführers in CETA-Ursprungserklärungen verwendet werden.
„Mit der Zustimmung zu CETA haben wir uns für Offenheit, Wachstum und hohe Standards entschieden, anstatt für Protektionismus und Stagnation. Kanada ist ein Land, mit dem wir gemeinsame Werte teilen, und es ist ein Verbündeter, auf den wir uns verlassen können. Gemeinsam können wir Brücken bauen anstelle von Mauern, um den Wohlstand unserer Bürger zu mehren. CETA wird richtungsweisend für zukünftige Handelsabkommen überall auf der Welt sein.“
Artis Pabriks, MdEP (EVP), Berichterstatter CETA des Europaparlaments
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