Obwohl die Uhr unüberhörbar tickt, sind die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Großbritannien und der Europäischen Union ab 30. März 2019 bis heute nicht geregelt. Worauf sollen sich die Wirtschaftsbeteiligten eigentlich einstellen? Möglichst auf den „Worst case“. Nach einer Einigung sieht es momentan nicht aus. Die politischen Hürden sind äußerst hoch. Zwar wünschen sich alle Beteiligten ein Abkommen. Doch ein Exit vom Brexit scheint derzeit unwahrscheinlich. Auch bei einem zweiten Referendum besteht laut neuester Umfragen die reale Gefahr, dass die Briten erneut für den Brexit stimmen würden.
Beim Gesamtmasche-Workshop „Brexit Ahead“ am 13. Februar 2019 drehte sich alles um die Austrittspläne der Briten. Im Mittelpunkt standen die wichtigsten Vorbereitungsmaßnahmen, die Firmen in den wesentlichen Rechtsbereichen sowie in den Bereichen Zoll und Logistik treffen sollten. Gesamtmasche präsentierte die Ergebnisse einer Forschungsarbeit zu den Folgen des Brexit speziell für die Textil- und Bekleidungsbranche, die der Verband 2018 gemeinsam mit der Hochschule Reutlingen und in Zusammenarbeit mit Experten mehrerer Unternehmen erarbeitet hat. Besonders betroffen könnten die Branche wegen der vergleichsweise hohen Drittlandszölle sein, die bald beiderseits des Kanals auf Fertigwaren fällig werden könnten. Auch ein Freihandelsabkommen schafft hier nicht unbedingt Abhilfe, da die Branche oftmals in Drittländern beschafft und angesichts strenger Ursprungsregeln auch bei Produktion am Standort EU die Ursprungsregeln nicht immer erfüllen kann. Wer sein Logistik und Einfuhr zentral aus der EU steuert, läuft Gefahr, Waren doppelt verzollen zu müssen. Hinzu kommt die besondere Problematik im E-Commerce. Immer mehr Firmen betreiben Online-Shops, die auch von britischen Endkunden genutzt werden. Niedrige Versandkosten und schnelle Lieferung sind im Internetgeschäft das A&O. Wer britischen Privatkunden den Gang zum Zollamt ersparen will, muss die Verzollung – entsprechend kostspielig – vom Paketdienstleister erledigen lassen.
Die Kanzlei Noerr LLP hat die rechtlichen Auswirkungen des Brexit auf die deutsche Wirtschaft und die Vertragsbeziehungen zu UK-Geschäftspartnern analysiert und warnt vor einer gefährlichen Brexit-Gelassenheit. Welche rechtlichen Vorbereitungsmaßnahmen notwendig sind, erläuterten die Noerr-Rechtsanwälte Dr. Susanne Wende, LL.M., Spezialistin für Product Compliance und Produkthaftung, Dr. Mansur Pour Rafsendjani, Spezialist für Vertriebs- und Logistikrecht sowie Dr. Johannes Schäffer, Spezialist für Zoll- und Außenwirtschaftsrecht. Die Experten gaben Empfehlungen für die Überprüfung vertraglicher Bedingungen, zu den Incoterms, zum Handelsvertreterrecht und zur Produkt-Compliance. Gerade im Bereich von Medizin-Produkten und Berufsbekleidung können sich schnell Änderungen in der Praxis ergeben. Ein britischer Ersatz für das CE-Zeichen ist beispielsweise schon gefunden.
Die Workshop-Unterlagen können von Mitgliedern gegen eine Schutzgebühr erworben werden. Gesamtmasche stellt bei Bedarf gerne Materialien und weitere Hintergrundinformationen zum Brexit zur Verfügung.