GTAI, Bonn – Die britischen Immigration Rules gelten derzeit für alle Nicht-EU-Staatsangehörigen. Sie betreffen mit größter Wahrscheinlichkeit ab 2021 auch deutsche Unternehmen. Die Rechtslage kann sich dann jederzeit ändern. Die Garantie der freien Ein- und Ausreise, die aus dem europäischen Recht folgte, gilt für das VK zukünftig nicht mehr.
Der Lichtblick: (Gar nicht so) kurze Geschäftsreisen bleiben ohne Arbeitsvisum möglich
Aller Voraussicht nach werden kurze Geschäftsreisen nach wie vor ohne vorherige Erlaubnis möglich sein. Als kurze Geschäftsreise gelten bis zu 90 Tage innerhalb eines Sechs-Monatszeitraums (britischer Entwurf für ein Freihandelsabkommen) beziehungsweise innerhalb eines Zwölf-Monatszeitraums (europäischer Entwurf). Das nationale britische Recht ist sogar noch großzügiger und sieht bis zu sechs Monate vor. Aber nicht nur die Dauer ist wichtig, sondern auch, was die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter konkret tun soll. Erlaubt sind insbesondere:
- Teilnahme an Besprechungen, Konferenzen, Seminaren oder Vorstellungsgesprächen;
- Verhandlung und Abschluss von Verträgen mit Kunden;
- Besuch von Messen.
Darüber hinaus: Wenn die Geschäftsreise der internen Unterstützung eines verbundenen Unternehmens dient, zum Beispiel durch Beratung oder auch Hilfe bei der Lösung konkreter Probleme, fällt sie in diese Kategorie, vorausgesetzt, dass die Dienstleistungen ausschließlich unternehmensintern erbracht werden.
Außerdem möglich, und in der Praxis wohl besonders relevant: „Ein(e) Mitarbeiter(in) eines ausländischen Herstellers oder Lieferanten darf Geräte sowie Computer-Hard- oder Software installieren, abbauen, reparieren, warten oder dazu beraten, wenn dieser einen Liefer-, Kauf- oder Mietvertrag mit einer britischen Gesellschaft oder Organisation hat.“ (Quelle: Immigration Rules Appendix V Appendix 3 Regel Nr. 9; Übersetzung durch den Verfasser).
Wichtig in diesem Zusammenhang: Derzeit ist eine Einreise noch mit dem Personalausweis möglich, allerdings nur noch bis September 2021. Danach wird ein Reisepass benötigt. Darüber hinaus sollten bei der Einreise Dokumente, die den Reisezweck glaubhaft machen, vorgelegt werden können.
Erbringung von Dienstleistungen (Contractual Service Suppliers – CSS) verursacht Verwaltungsaufwand auf beiden Seiten
Eine weitere, praktisch ebenfalls relevante Kategorie ist diejenige der Erbringung von Dienstleistungen im VK durch MitarbeiterInnen einer deutschen Firma. Beispiele: Ein Klempner installiert im Namen und auf Rechnung seines deutschen Arbeitgebers eine Anlage in einem Hochhaus in London, oder ein deutsches Architekturbüro entsendet eine Architektin zur Erbringung von Planungsleistungen nach Edinburgh.
Zunächst: Einigen Dienstleistungen kann der Zugang zum britischen Markt komplett verwehrt sein. Welche Dienstleistungen möglich sind, richtet sich nach dem Inhalt eines Freihandelsabkommens oder, falls keines zustande kommt, nach WTO-Recht. Und selbst wenn Marktzugang gewährt wird, müssen eng definierte Anforderungen erfüllt werden. Zum Beispiel gilt im WTO-Szenario, dass die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter bereits seit mindestens einem Jahr mit der Erbringung vergleichbarer Dienstleistungen für denselben Arbeitgeber befasst gewesen sein muss. Der Arbeitgeber darf über keine Niederlassung im VK verfügen. Der Vertrag muss durch ein offenes Verfahren gewonnen worden sein. Und natürlich müssen auch die erforderlichen formellen Qualifikationen vorliegen. Für bestimmte Dienstleistungen kann es darüber hinaus weitere Einschränkungen oder Anforderungen geben.
Wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, kann der deutsche Dienstleister ein Visum beantragen, und zwar in der Kategorie „Tier 5 – International Agreement“. Das Visum kann aber nur dann erteilt werden, wenn der britische Empfänger der Dienstleistung mitwirkt. Dazu muss er Inhaber einer so genannten „Sponsorship Licence“ sein. Die maximale Dauer des Aufenthalts hängt davon ab, welche Regelung es nach dem Brexit gibt. Für den Fall, dass es für die Dienstleistungsbranche kein Abkommen gibt, gilt die britische GATS-Schedule: drei Monate in einem zwölf-Monatszeitraum. Die Abkommensentwürfe beider Seiten sind großzügiger: längstens zwölf Monate.
Unternehmensinterner Austausch (Intra-Corporate Transfer – ICT) wird ebenfalls erschwert
Der unternehmensinterne Austausch von Mitarbeitern eignet sich für Unternehmen, die Personal vorübergehend zu Tochtergesellschaften oder Niederlassungen in anderen Ländern schicken, zum Beispiel um dort spezielle Aufgaben zu erfüllen oder an einem Traineeprogramm teilzunehmen. Hier wird es sich in aller Regel um akademisch qualifiziertes Personal handeln. Wie bei den „Contractual Service Suppliers“ gibt es auch hier weitere Anforderungen. Zum Beispiel müssen Bewerber im Regelfall mindestens ein Jahr (Trainees: drei Monate) bei dem entsendenden Arbeitgeber beschäftigt sein, es sei denn, das Gehalt liegt bei über 73.900 GBP brutto pro Jahr. Im britischen Entwurf für ein Freihandelsabkommen stehen auf dieser Route bis zu fünf Jahre für Spezialisten und Führungskräfte sowie maximal ein Jahr für Trainees zur Verfügung. Auch hier ist allerdings ein Visum erforderlich – das „Tier 2 – Intra-company Transfer“ Visum. Und auch für dieses Visum muss bei der empfangenen Niederlassung eine Sponsorhsip Licence vorhanden sein.
Zum Thema:
- GTAI-Rechtsbericht „Pläne für neues britisches Einwanderungsrecht nehmen Gestalt an“
- GTAI-Rechtsbericht „Dienstreisen post-Brexit
Kontakt: Karl Martin Fischer, Rechtsexperte bei der GTAI Bonn, +49 228 24 993 372
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