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Deutsche Strumpfdynastien im Spiegel der Zeit: Mit einer Sonderausstellung zeigte das Bocholter LWL-Industriemuseum 150 Jahre deutsche Strumpfgeschichte.

Zwischen verführerischem Nylon und bequemer Tennissocke liegen Welten. Und doch haben beide vieles gemeinsam. Mit mehr als 800 Exponaten lud die Sonderausstellung „Maschen – Mode – Macher. Deutsche Strumpfdynastien“ im Sommer/Herbst 2018 ein zu einer Entdeckungsreise in die Welt der Strümpfe und ihrer Produktion. Maßgeblich geprägt wurde die Branche von Familienunternehmen wie Bahner und Falke.

Die Mode
Als Kleidungsstück aus der zweiten Reihe orientierte sich der Strumpf stets an den vorherrschenden Trends. Während der Reifrock des 19. Jahrhunderts das weibliche Bein komplett verdeckte, wurde der Strumpf mit ausgefallen Mustern und Farben in den 1920er Jahren zum „Beindekolleté“. Blickfang war die bis in die 1950er Jahre hinein übliche Wadennaht, die erst mit der Erfindung der Rundstrickmaschine verschwand. Der Minirock sorgte schließlich in den 1960er Jahren für eine Weiterentwicklung des Strumpfes, der bisher an Haltern und Hüftgurten befestigt wurde: Die Strumpfhose wurde erfunden. In dieser Zeit fand der Strumpf auch den Weg vom Fachgeschäft in den Massenverkauf an den Supermarktkassen. Strumpfautomaten, die Ersatz bei Laufmaschen-Problemen anboten, wurden an zentralen Orten aufgehängt.

Die sinnliche Ästhetik der Strumpfwerbung, die mit erotischen Reizen und moralischen Tabubrüchen spielte, entwarf idealisierte Bilder von Frauen. Ob mit erotischen, mondänen, sportlichen oder witzigen Werbekampagnen – auf unterschiedliche Weise gelang es den Unternehmen, mit ihren Werbekampagnen positiv im Gedächtnis der Kundinnen zu bleiben.

Die Produktion
Die Strumpfbranche war vorwiegend der Arbeitsplatz für Frauen, die bis zu 70 Prozent der Belegschaften ausmachten. Viele Beschäftigungen galten als Anlernberufe, auch wenn sie hohes Geschick erforderten. Um die Spitze des fertig gestrickten Strumpfes zu schließen, musste beispielsweise beim Ketteln Masche für Masche einzeln von Hand miteinander verbunden werden. Nach dem Krieg stiegen die Beschäftigungszahlen in der westdeutschen Strumpfindustrie von etwa 10.000 auf circa 37.000 Anfang der 1970er Jahre. Mit den Unternehmen waren auch viele qualifizierte Arbeitskräfte aus Sachsen und Böhmen nach Westdeutschland gekommen. Ergänzt wurden die Belegschaften später durch die sogenannten „Gastarbeiter“ besonders aus Italien, Südosteuropa und der Türkei.

Die Unternehmen
Um 1900 war das sächsische Chemnitz nicht nur das Zentrum der deutschen, sondern der weltweiten Strumpfindustrie. Aus Sachsen (Oberlungwitz) stammten auch die Bahners, die das später „Elbeo“ genannte Unternehmen Ende des 19. Jahrhunderts gründeten. Die Bahners waren es, die vor 80 Jahren den ersten Perlonstrumpf produzierten. Die Bahners verfolgten schon früh die Markenbildung und setzten Akzente in der sozialen Verantwortung für ihre Mitarbeiter. Nach dem Zweiten Weltkrieg richtete sich die Familie Bahner in Westdeutschland neu aus.

Die Zwischenkriegszeit wurde für das Familienunternehmen Kunert in Böhmen zum Erfolg. 1938 stieg die Firma zum größten Strumpfhersteller Europas auf und setzte als Alternative zur Naturseide konsequent auf Kunstseide. Das Sortiment umfasste nur wenige, dafür aber ausgereifte Artikel. Nach dem Zweiten Weltkrieg zog es die Kunerts ins Allgäu. 1978 über nahm die Firma den großen Konkurrenten Hudson. Die Kunerts entwickelten sogar ihre eigene Faser: Chinchillan.

Während Kunert und Elbeo nur noch als Marken existieren, ist FALKE in Schmallenberg bis heute als familiengeführtes Strumpfunternehmen erfolgreich. Ab 1957 fertigte FALKE für das international bekannte Modeunternehmen Christian Dior Damenfeinstrümpfe. Als Designer für Herren-Oberbekleidung machte sich der damals noch wenig bekannte Giorgio Armani bei Falke erstmals einen Namen. Bis heute begreifen sich die Falkes nicht nur als Strumpfhersteller, sondern in erster Linie als Mode-Unternehmen. Ihren Anspruch an die eigene Marke spiegelt die Zusammenarbeit mit international renommierten Modefotografen wie F.C. Gundlach oder Helmut Newton wieder. Die daraus entstandenen ästhetisch hochwertigen Werbekampagnen stehen im Mittelpunkt der Ausstellungseinheit zur Firma Falke.

Bild: FALKE-Werbung von 1997, Foto von A. Watson. Bildquelle: FALKE.