Deutschland als rohstoffreiches Land – Dank Alttextilien
Als Baumwollspinnerei kennt sich Gebr. Otto mit der jährlichen Ernte von Rohbaumwolle aus: In den vergangenen 20 Jahren pendelte diese relativ konstant zwischen 100 und 120 Millionen Ballen. Allzu viel Luft nach oben gibt es nicht, erklärt Otto-Geschäftsführer Andreas Merkel: „Anbaufläche, Wasser und die passenden klimatischen Bedingungen sind limitierende Faktoren.“Gleichzeitig wächst ein „Baumwollfeld“ direkt vor unserer eigenen Haustür unaufhaltsam: Alttextilien.
Bisher bleibt dieses Ressourcenreservoir noch schlecht genutzt, wie Dr. Georg Stegschuster, Leiter des Recycling Ateliers des Instituts für Textiltechnik in Augsburg (ITA) erläutert: „Derzeit landen in Deutschland knapp dreiviertel der 1,6 Millionen Tonnen Alttextilien auf der Deponie oder werden verbrannt. Gerade mal ein Prozent der Alttextilien kommt in einem geschlossenen Kreislauf. Unser Ziel muss es sein, diesen Anteil deutlich zu erhöhen“, betont Stegschuster. Ähnlich sieht das Gebr. Otto – und zahlreiche weitere Textilunternehmen in Deutschland: In der Dietenheimer Spinnerei treffen regelmäßig Anfragen von Kunden ein, die maßgeschneiderte Kreislauflösungen suchen, für technische Garne genauso wie für Baumwolle.
Den textilen Kreislauf schließen
Seit Frühsommer 2024 arbeiten die beiden Projektpartner an ihrer Kreislauflösung. Dabei nehmen sie ausgediente Frottierwaren aus Baumwolle ins Visier. Aus ihnen sollen erneut Fasern gewonnen und zu einem Baumwollgarn versponnen werden, aus dem schließlich ein neues Handtuch entstehen soll. Das Garn soll zur Hälfte aus wiederaufbereiteten Fasern bestehen und eine mittlere Feinheit aufweisen, wie sie für ein Handtuch ideal ist.
Eine Machbarkeitsstudie des Recycling Ateliers hat ergeben, dass ein solches Garn technisch zu realisieren ist. Die Augsburger Textilexperten haben außerdem dargestellt, wie groß die wirtschaftlichen und ökologischen Vorteile eines solchen Garns sind. Nämlich einen wesentlich niedrigeren Wasser- sowie Energieverbrauch und einen günstigeren CO2- Äquivalenzwert. Das hat auch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt überzeugt, die das Projekt seit Herbst dieses Jahres für zwölf Monate fördert.
Potenzial trifft Praxis
Derzeit entwickelt und verfeinert die Projektgruppe die notwendigen Prozesse. Am Anfang steht das mechanische Textilrecycling: Dazu gehören insbesondere das Schneiden und Reißen des ausgedienten Textils, damit neue Fasern entstehen können. Ein weißes Handtuch ist ein sortenreines Produkt, und lässt sich vergleichsweise leicht in seine Einzelteile zerlegen.
Gebr. Otto entwickelt die entsprechende Spinnereivorbereitung und den Prozess zum Verspinnen der recycelten Fasern. Die weisen andere Eigenschaften auf als neue Rohware. Insbesondere sind die recycelten Fasern deutlich kürzer. Sie haben eine andere Oberflächenstruktur und dadurch andere Haft- und Gleiteigenschaften als die neue Rohware, mit der sie beim Spinnen kombiniert werden.
Die ersten Tests sind gut verlaufen. Andreas Merkel: „Wir gehen davon aus, dass wir mit unserer Mischung in der geforderten Feinheit ein gutes Ergebnis erreichen.“ Wie die Neuentwicklung am Ende bei den Kunden ankommt, hängt von ihrer Qualität ab und wie sie zu verarbeiten ist. „Da darf sich ein Garn mit hohem Recyclinganteil nicht von einem Baumwollgarn aus 100 Prozent neuen Rohstoffen unterscheiden.“