Die aktuellen Konflikte haben die Stimmung in Äthiopiens Wirtschaft gedämpft. Doch das Wachstum kehrt zurück. Gerade in der Textilbranche lassen sich trotz mancher Widrigkeit Standortvorteile nutzen. Dabei hat Äthiopien hat viel mehr zu bieten als billige Arbeitskräfte. Mit eigenen Baumwollvorkommen, einer vollstufigen textilen Kette und mittelständischen, oft familiengeführten Firmen hat der Sektor eine robuste Ausgangslage. Auch als Verbrauchermarkt wird das Land immer wichtiger.
Nach Corona expandiert Äthiopiens Wirtschaft wieder, wenn auch langsamer als bis 2020. Aus deutscher Sicht geht es nicht mehr nur um günstige Produktion oder Vormaterialbeschaffung. Mit seiner Bevölkerungsstärke von über 100 Millionen Menschen hat sich das ostafrikanische Land neben Kenia zum zweiten Schwerpunktmarkt in Ostafrika entwickelt.
Zollvorteile für EU-Handel
Zwar haben die USA Ende 2022 die Zollvorteile für Äthiopien ausgesetzt. In die EU kann Äthiopien weiterhin zum Nullzollsatz liefern. Bedingung ist nur, dass ein wichtiger Produktionsschritt – wie z. B. Stricken oder Konfektion – in Äthiopien stattfindet. Vormaterialien aus Drittländern dürfen dabei zollfrei verwendet werden. Bei der Zoll- und Steuerbürokratie gibt es zwar noch viel zu verbessern. Doch Äthiopien setzt den eingeschlagenen Kurs der wirtschaftlichen Liberalisierung spürbar fort.
SWOT-Analyse Äthiopien
Strengths | Weaknesses |
Nachfrage durch große Bevölkerung | Riesiges Handelsbilanzdefizit und Devisenmangel |
Ethiopian Airlines fliegt viele Ziele in Afrika an | Lähmende Bürokratie |
Energieressourcen (Wind, Wasser, Geothermie) | Behörden verschiedener Ebenen agieren teils sehr unterschiedlich |
Relativ wenig Konkurrenz | Stark regulierte Wirtschaft; privates Engagement oft nicht möglich |
Opportunities | Threats |
Hoher Bedarf an Infrastruktur und Investitionsgütern | Bewaffnete innere Konflikte, politische Unsicherheit, soziale Spannungen |
Produktion für den Export (Kaffee, Bekleidung, Schnittblumen) | Hohe Inflation |
Öffnung von Dienstleistungssektoren | Zahlungsschwierigkeiten aufgrund fehlender Devisen |
Bergbau und Öl-/Gasförderung wegen hoher Preise | Steigende Verschuldung, Abhängigkeit von China |
Quelle: Germany Trade & Invest
Marktpotenziale nutzen
Große Konsumgüterfirmen zeigen bereits das Potenzial Äthiopiens als Absatzmarkt auf: Unilever kam 2016 nach Äthiopien und plant für 2022 bereits einen Umsatz von 120 Mio. Euro – mit Produkten ausschließlich „Made in Ethiopia“. Die Produktion für Ostafrika könnte auch für bestimmte Bekleidungsprodukte funktionieren. In bestimmten Bereichen wie z. B. (textile) Medizinprodukte fördert der Staat die Importsubstitution.
Problem Devisenmangel
Aus Äthiopiens gewaltigem Handelsbilanzdefizit resultiert ein chronischer Devisenmangel. Das belastet auch die Textil- und Bekleidungshersteller, da der Einkauf von Vorprodukten im Ausland schwierig ist. Damit einheimische Betriebe den Sprung auf den internationalen Markt schaffen und sich auch in Ostafrika erfolgreich etablieren können, brauchen sie dringend Partner aus dem Ausland.
Delegationsbesuch schafft Kontakte
Im Juni kam eine Delegation von 11 äthiopischen Unternehmern im Rahmen von Partner Africa Ethiopia nach Deutschland zu Besuch. Vertreten waren Firmen aus der Spinnerei, Strickerei, Weberei und Konfektion. Neben der Besichtigung mehrerer Textilbetriebe konnte die Delegation den Aufenthalt nutzen, um die Leitmessen Heimtextil und Techtextil in Frankfurt zu besuchen. „Alle Delegationsteilnehmer waren begeistert über den Erfahrungsaustausch und die vielen neuen Eindrücke“, sagt ETGAMA-Geschäftsführer Ageazi Hailemariam, der gemeinsam mit dem Gesamtmasche-Team die Delegation organisiert hat. „Die Leitmessen konnten wir perfekt als Austausch- und Informationsplattformen nutzen.“
Titelbild: © Yohannes Minas – unsplash.com
Bild: © Gesamtmasche e. V.