Die die Politik hat es einfach nicht geschafft, die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Großbritannien und der Europäischen Union auch nur in ihren Grundzügen rechtzeitig zu regeln. Das britische Parlament hat den mit Brüssel ausgehandelten Brexit-Vertrag am 29. März zum dritten Mal abgelehnt. Am 21. März 2019 hatten sich die EU und die britische Regierung auf eine Verschiebung des Brexit bis mindestens 12. April 2019 geeinigt. Jetzt droht entweder ein Austritt aus der Europäischen Union ohne Abkommen am 12. April oder eine lange Verschiebung des Brexits mit einer Teilnahme an der Europawahl Ende Mai.
„Die Wirtschaft hat das Gezerre um den Brexit reichlich satt. Auf negative Entwicklungen kann man sich einstellen, wenn klare Fakten kommuniziert werden. Unsicherheit zwingt Hersteller und Handel dazu, mit dem Schlimmsten zu rechnen.“
Gesamtmasche-Workshop zu Brexit-Änderungen
Beim Gesamtmasche-Workshop “Brexit Ahead” am 13. Februar 2019 drehte sich alles um die Austrittspläne der Briten. Im Mittelpunkt standen die wichtigsten Vorbereitungsmaßnahmen, die Firmen in den wesentlichen Rechtsbereichen sowie in den Bereichen Zoll und Logistik treffen sollten. Worauf also sollen sich die Wirtschaftsbeteiligten einstellen? Möglichst auf den “Worst case”. Die politischen Hürden für eine glimpfliche Lösung sind äußerst hoch, ein Exit aus dem Brexit scheint unwahrscheinlich. Selbst bei einem zweiten Referendum bestände laut aktueller Umfragen die Gefahr, dass die Briten erneut für den Brexit stimmen würden.
Zoll und Logistik
Gesamtmasche präsentierte die Ergebnisse einer Forschungsarbeit zu den Brexit-Folgen speziell für die Textil- und Bekleidungsbranche, die der Verband 2018 gemeinsam mit der Hochschule Reutlingen und in Zusammenarbeit mit Experten mehrerer Unternehmen erarbeitet hat. Besonders betroffen könnten die Branche wegen der vergleichsweise hohen Drittlandszölle sein, die bald beiderseits des Kanals auf Fertigwaren fällig werden könnten. Zwar hat das Vereinigte Königreich Zollaussetzungen auf das Gros seiner Wareneinfuhr angekündigt. Für viele Bekleidungsprodukte und auch einige Textilien gilt das aber nicht. Auch ein Freihandelsabkommen würde nicht unbedingt Abhilfe schaffen, da die Branche oftmals in Drittländern sourct und angesichts strenger Präferenzregeln auch bei Produktion am Standort EU den Ursprung nicht immer erreicht. Wer Logistik und Einfuhr zentral aus der EU steuert, läuft Gefahr, Waren doppelt verzollen zu müssen. Hinzu kommt die besondere Problematik im E-Commerce. Immer mehr Firmen betreiben Online-Shops, die auch von britischen Endkunden genutzt werden. Niedrige Versandkosten und schnelle Lieferung sind im Internetgeschäft das A&O. Wer britischen Privatkunden den Gang zum Zollamt ersparen will, muss die Einfuhr – entsprechend kostspielig – vom Paketdienstleister erledigen lassen.
Vertriebs- und Produktrecht
Die Kanzlei Noerr LLP hat die rechtlichen Auswirkungen des Brexits auf die deutsche Wirtschaft und die Vertragsbeziehungen zu UK-Geschäftspartnern analysiert und warnt vor einer gefährlichen Brexit-Gelassenheit. Welche rechtlichen Vorbereitungsmaßnahmen notwendig sind, erläuterten die Noerr-Rechtsanwälte Dr. Susanne Wende, LL.M., Spezialistin für Product Compliance und Produkthaftung, Dr. Mansur Pour Rafsendjani, Spezialist für Vertriebs- und Logistikrecht sowie Dr. Johannes Schäffer, Spezialist für Zoll- und Außenwirtschaftsrecht. Die Experten gaben Empfehlungen für die Überprüfung vertraglicher Bedingungen, zu den Incoterms, zum Handelsvertreterrecht und zur Produkt-Compliance. Gerade im Bereich von Medizin-Produkten und Berufsbekleidung können sich schnell Änderungen in der Praxis ergeben. Ein britischer Ersatz für das CE-Zeichen ist beispielsweise schon gefunden.
↘ Ein ausführliches Brexit-Follow-up erscheint in der Ausgabe 02-2019 der masche.