Die Uhr tickt
Bis zum 31. Dezember 2020 befinden sich beide Seiten noch in einer komfortablen Übergangsphase. Bis dahin bleibt Großbritannien trotz seines Ausscheidens am 31. Januar 2020 Mitglied im EU-Binnenmarkt und der Zollunion. In dieser Zeit sollte ein Abkommen verhandelt werden. Bisher konnte man sich aber noch nicht auf gemeinsame Eckpunkte einigen. Zwar möchte Großbritannien den zollfreien Warentausch behalten. Doch in anderen Fragen bewegt sich das Land wenig. Die EU wird wiederum dafür kritisiert, ein „minderwertiges Handelsabkommen“ anzubieten, mit dem sie London kontrollieren wolle.
Backstop-Problem vorerst gelöst
Immerhin ist ein sehr wichtiges Problem fast lautlos gelöst worden: Wie mit der inneririschen Grenze umgegangen werden sollte, war lange unklar. Mit dem Brexit würde diese Grenze zur EU-Außengrenze. Dies lehnte die EU strikt ab. Laut Brexit-Abkommen soll Nordirland in der EU-Zollunion bleiben, gleichzeitig aber auch im Zollgebiet Großbritanniens sein. Dazu müssen Kontrollen zwischen Nordirland auf der einen Seite und den Landesteilen England, Schottland und Wales auf der anderen Seite der Irischen See stattfinden. Mitte Mai verkündete die britische Regierung, dass es genau diese Art von (umstrittenen) Kontrollen in den drei nordirischen Häfen Belfast, Warrenpoint und Larne geben wird.
Verlängerung derzeit unwahrscheinlich
Damit neue Handelsregeln ab Januar 2021 umgesetzt werden können, muss ein Abkommen bis 31. Oktober ausgehandelt sein. Theoretisch könnten beide Seiten sich bis Ende Juni auf eine Verlängerung der Verhandlungsphase einigen. Während die EU das befürwortet, hat Johnson den Aufschub sogar per Gesetz ausschließen lassen. Jetzt hat auch die EU bekannt, dass es keine Verlängerung geben wird.
Theoretisch möglich wäre ein Aufschub auch noch zu einem späteren Zeitpunkt, um Verhandlungen zu retten. Dafür müsste aber ein neuer Vertrag aufgesetzt werden, dem alle 27 EU-Staaten und einige Regionalparlamente zustimmen müssten. Auch wenn viele Briten sich eine Verlängerung wünschen würden, verweist Premier Johnson darauf, er könne nicht seine Wähler betrügen, denen er den Brexit versprochen hat.
Und dann?
Verlaufen die Verhandlungen ohne Einigung, würde schlimmstenfalls zum Jahresende der harte Brexit Wirklichkeit. Bei einem No Deal fällt der Handel mit Großbritannien unter die Regeln der WTO. UK würde dann wie andere Drittstaaten behandelt, Waren mit Zöllen belastet. Premier Johnson scheint zu einem No Deal bereit. Was wirklich kommt, weiß aber niemand. In jedem Fall wäre der Schaden für Großbritannien noch größer als für die EU.
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