Weniger Streitpunkte
Der Streit um die technische Lösung der „Backstop“-Problematik scheint in den Hintergrund gerückt. Die noch offenen Fragen betreffen Fischereirechte, faire Wettbewerbsregeln für Unternehmen, einschließlich Vorschriften über inländische Subventionen, und den Mechanismus im endgültigen Vertrag zur Beilegung künftiger Streitigkeiten. Die Briten wollen sich ihr Beihilfenrecht nicht von der EU diktieren lassen und bei Schiedssprüchen vom EuGH abhängig sein. Dennoch hofft Ratspräsident Charles Michel auf einen baldigen Abschluss, so dass der Ratifizierungsprozess Mitte November beginnen kann.
Knackpunkt Ursprungsregeln
Für Unternehmen der Textilbranche stellt sich insbesondere die Frage, ob sie von einem Handelsabkommen EU-UK auch wirklich profitieren können. Das hängt maßgeblich von der Ursprungsregeln ab. EU-Chefunterhändler Michel Barnier spricht zwar vom „beispiellosen“ Marktzugang, den die EU dem Vereinigten Königreich durch ein Handelsabkommen bietet. Tatsächlich scheint die EU nicht bereit zu sein, bei den Ursprungsregeln allzu weit zu gehen.
Paneuromed oder Kanada als Muster?
Zur Debatte steht im Moment ein Regelwerk ähnlich dem der reformierten Paneuromed-Konvention (PEM), allerdings mit zahlreichen Ausnahmen. Gleichzeitig lehnt das VK die PEM-Kumulierung ab, zumindest in Form eines Gesamtpakets. Vor allem wollen die Briten dabei eine Fortsetzung der Zollunion mit der Türkei durch die Hintertür verhindern. Für deutsche Exporteure würde das bedeuten, dass z. B. deutsche Stoffe aus türkischen Garnen keinen zollfreien Zugang zum VK-Markt hätten. Als Lösung schlägt das VK für den Bekleidungsbereich die so genannte „Einstufigkeit“ in Form eines Wertschöpfungskriteriums vor, außerdem die volle Kumulierung, bei der sämtliche Operationen in der EU und dem VK für den Ursprungserwerb berücksichtigt werden – nach dem Vorbild des EU-Kanada-Abkommens. Hier wiederum legt sich die EU quer.
Zölle trotz FTA
Ob es nun doch noch zu einem Freihandelsabkommen kommt oder nicht: Für die meisten Handelswaren mit Drittlandsursprung werden ab 1. Januar 2021 ohnehin Zölle gelten. Der britische Zolltarif entspricht zunächst dem der EU, da die Zollsätze bei der WTO gebunden sind. Für viele Produkte hat die britische Regierung bereits Ausnahmen durch Zollaussetzungen geschaffen. Für die meisten Textil- und Bekleidungsprodukte gilt das aber nicht.
Brexit-Seminar am 26. November
Wie viel Zoll fällt für welche Ware beim Im- und Export an? Welche Ursprungsregeln sind anzuwenden? Was ist sonst noch im B2B und B2C-Handel dringend zu beachten? Das Web-Seminar „Brexit – with or without Deal” am 26. November 2020, zu dem Gesamtmasche und VTB gemeinsam einladen, thematisiert die wichtigsten Änderungen im Außenhandel EU-UK. Der Inhalt wird an den Verlauf der Verhandlungen und mögliche Ergebnisse im November angepasst. Programm und Anmeldung hier.
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