Politik- und Wirtschaftsvertreter erwarten als Folge des „Brexit“ anhaltende wirtschaftliche Turbulenzen und erhebliche Handelsnachteile vor allem für die britische Volkswirtschaft. Auch deutsche Unternehmen der Textilbranche, die enge Handelsbeziehungen mit dem Vereinigten Königreich pflegen oder vor Ort investiert haben, müssen sich auf Auswirkungen einstellen. Während die einen „windfall profits“ erwarten, erinnern die anderen daran, dass der Verlust des drittgrößten Nettozahlers in der EU ein Haushaltsloch reißen wird, das andere werden stopfen müssen.
Bei den EU-vertraglichen Beziehungen und rechtlichen Rahmenbedingungen – z. B. im Zollrecht hinsichtlich der Regelungen des gemeinsamen Binnenmarktes – gibt es keinen kurzfristigen Automatismus. Stattdessen kommt ein schrittweiser Austrittsprozess zum Tragen.
Eine Übersicht dieses Verfahrens gemäß Artikel 50 der entsprechenden EU-Verordnung, der den institutionellen und rechtlichen Ablauf eines möglichen EU-Austritts beschreibt, ist der Anlage zu entnehmen.
Der deutsche Export von Maschen- und Webbekleidung ins Vereinigte Königreich befand sich 2015 auf einem Höhenflug. Die Ausfuhr von Erzeugnissen aus Geweben legte um 13 Prozent zu, die Ausfuhr von Maschenerzeugnissen stieg sogar um beeindruckende 23 Prozent. Die extrem günstige Währungsrelation hat dazu maßgeblich beigetragen, außerdem der Modetrend Masche im Bereich klassischer HAKA und DOB (Anzüge, Kostüme). In den ersten vier Monaten 2016 weisen die exportierten Stückzahlen wieder einen Trend nach unten auf – hin zum „Normalzustand“. Trotz Brexit-Dämpfer ist der Euro im Vergleich zu 2014 immer noch billig für die Briten.
Wohin die Reise wirklich hingeht, kann derzeit wohl kaum einer sagen. In London rudert man zurück und will prüfen, ob das Abstimmungsergebnis wirklich so gemeint sein konnte. Ob „Flexit“ oder nicht: Mit Sicherheit werden alle Seiten um wirtschaftliche Schadensbegrenzung bemüht sein. Dazu gehört unbedingt der völlig freie Warenverkehr, unabhängig vom Ursprung der Ware.
Mit dem italienischen Verfassungsreferendum im Oktober 2016 zeichnet sich bereits die nächste große Herausforderung für Europa ab.
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