CroMat: Häkeln in industriellem Maßstab Liska Steenbock begutachtet einen gehäkelten „T-Träger“ in Miniaturformat aus dem CroMat. Bild © P. Pollmeier/HSBI

CroMat: Häkeln in industriellem Maßstab

Lange Zeit galt das Häkeln als zu komplex für eine maschinelle Umsetzung. Nun widerlegt ein Entwicklungsteam an der Hochschule Bielefeld diesen Mythos.

Lange Zeit galt das Häkeln als zu komplex für eine maschinelle Umsetzung. Nun widerlegt ein Entwicklungsteam an der Hochschule Bielefeld diesen Mythos. Sie entwickelten die erste industriell skalierbare Häkelmaschine der Welt.

Geht nicht, gibt’s nicht!

„Im Gegensatz zu nahezu allen anderen textilen Fertigungstechniken galt das Häkeln als nicht maschinell umsetzbar. Wir haben gezeigt, dass es doch geht“, sagt Projektleiter Jan Lukas Storck stolz. Er und sein Team aus der AG Research on Materials for Functional Textiles and 3D printing an der Hochschule Bielefeld arbeiteten fast drei Jahre intensiv an der Entwicklung ihres ersten Prototyps. Sie nennen ihn CroMat – eine Wortschöpfung aus dem englischen Wort „Crochet“ für Häkeln und Automation.  

Der Prototyp der Häkelmaschine. Bild: © P. Pollmeier/HSBI

Ausgefeilte und schlanke Bauweise

Auf den ersten Blick sieht der CroMat unscheinbar aus, doch seine Technologie hat es in sich und besticht durch einen innovativen mechatronischen Aufbau. Auf einem mit Traversen verbundenen Rahmengestell stehen sich eine Reihe von Zungennadeln und eine Schiebernadel als „Häkelnadel“ gegenüber. Lukas Storck und Liska Steenbock sprechen beim Blick auf die prägenden Komponenten ihres Prototyps von „Hilfsnadelbett“ und „aktiver Nadel“. Letztere ist in einen motorisierten Maschinenkopf eingebettet. Sie kann auf einer Schiene die Nadelreihe millimetergenau abfahren und wie die Nadel beim Häkeln in die Maschen einstechen. Diese Bauteile werden durch G-Code gesteuert, eine Programmiersprache, die auch im Bereich des 3D-Druckens und CNC-Fräsens verwendet wird. Viele der Komponenten wurden kostengünstig im Rapid Prototyping-Verfahren per 3D-Druck hergestellt. Die Idee dahinter: Durch eine modulare Bauweise können die einzelnen Komponenten unkompliziert ausgetauscht werden. „Der Ansatz des Rapid Prototyping hat es uns ermöglicht, viele Teile selbst zu erstellen und anzupassen“, erklärt Storck.

Mit 3D-Moldellierung zum Erfolg

Die größte Herausforderung lag darin, die komplexen Handbewegungen des Häkelns in maschinenlesbare Befehle zu übersetzen. Hier kam Projektmitglied Liska Steenbock eine zentrale Rolle zu. Sie brachte ihre Häkelerfahrung ein, um die Bewegungen von Hand vorzuführen und in dreidimensionale Modelle zu überführen. Diese Bewegungsabläufe wurden anschließend in rund 30 Maschinenbefehle übersetzt, die das Zusammenspiel der Maschine steuern.

Vom Bootsrumpf bis zum fair gehäkelten Textil

„Der CroMat ist ein Schritt in Richtung nachhaltiger und fairer Produktion, sagt Steenbock. Neben klassischen Häkeltextilien sehen die Entwickler großes Potential für Anwendungen im Technischen Bereich. „Am interessantesten sind für uns endkonturnahe Faserverbundstoffe, bei denen die textile Verstärkung schon die Form des späteren Bauteils hat, wie etwa beim Bootsbau“, benennt Storck eines der von der AG angestrebten Einsatzgebiete.

Blick in die Zukunft

Durch konkrete Anwendungsbezüge soll der Prototyp nun für zukünftige Investitionen attraktiv werden, um den CroMat zur Serienreife weiterzuentwickeln. Danach könnten die vom CroMat produzierte Textilien überall dort eingesetzt werden, wo es um Qualität statt Quantität oder um komplexe Formen geht. Wie etwa beim Leichtbau.