Das deutsche Lieferkettengesetz kommt!

Das deutsche Lieferkettengesetz kommt!

Gegen den Widerstand der Wirtschaft hat die Bundesregierung am 3. März 2021 den Entwurf eines Sorgfaltspflichtengesetzes beschlossen. Es soll ab 2023 gelten.
Dieser Artikel ist in der masche 01-2021, S. 8-9 erschienen. Hier geht es zum Heft.

Das „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten“, auch bekannt als „Lieferkettengesetz“, soll am 1. Januar 2023 in Kraft treten.

Menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken

Nach dem aktuellen Entwurf sollen deutsche Unternehmen dazu angehalten werden, nicht nur bei sich selbst menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten einzuhalten, sondern dies auch bei ihren direkten Lieferanten und eingeschränkt sogar bei weiteren Zulieferern der Lieferkette zu gewährleisten. Menschenrechtliche Risiken, wie z. B. Verstöße gegen das Verbot der Kinderarbeit, Sklaverei, Zwangs- oder Pflichtarbeit, sollen ebenso verhindert werden wie Verstöße gegen die Koalitionsfreiheit oder die nach dem jeweiligen nationalen Recht bestehenden Pflichten zum Arbeitsschutz oder der Zahlung eines angemessenen Lohnes. Gleiches gilt hinsichtlich der Vermeidung von umweltbezogenen Risiken, wie Verstöße gegen Verbote der Produktion und Verwendung von gefährlichen Chemikalien oder der Lagerung und Entsorgung von Abfällen nach den jeweiligen anwendbaren Rechtsordnungen.

Indirekt auch KMU betroffen

Das Gesetz adressiert zunächst nur Unternehmen mit Sitz in Deutschland, die mehr als 3.000 Arbeitnehmer im gesamten Konzern beschäftigen. Ab dem 1. Januar 2024 gilt das Gesetz auch für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern. Mittelbar sind allerdings auch kleinere Unternehmen betroffen, da die unmittelbaren Adressaten des Gesetzes eine Risikoanalyse durchzuführen müssen und gegebenenfalls den eigenen (kleineren) Lieferanten gegenüber Präventionsmaßnahmen zu ergreifen haben. Durch die Vorgaben großer Kunden werden so auch kleinere Lieferanten und Zulieferer verpflichtet, eigene Risikoanalysen durchzuführen und Präventionsmaßnahmen zu ergreifen.

Risikomanagement, Grundsatzerklärung und Präventionsmaßnahmen

Unternehmen müssen ein angemessenes Risikomanagement einführen, um Risiken im eigenen Geschäftsbereich sowie bei den unmittelbaren Zulieferern zu ermitteln (Risikoanalyse), der Verwirklichung etwaiger Risiken vorzubeugen (Prävention) und die Verletzungen geschützter Rechtspositionen zu beenden und zu minimieren (Sanktion). Hierzu ist eine Grundsatzerklärung zu erstellen, die die verschiedenen Elemente einer Menschenrechtsstrategie enthält. Dazu gehören insbesondere eine Beschreibung des Verfahrens der Risikoanalyse und der hierdurch festgestellten Risiken sowie die festgelegten menschenrechts- und umweltbezogenen Erwartungen, die das Unternehmen an seine eigenen Beschäftigten und Zulieferer in der Lieferkette richtet. Angemessene Präventionsmaßnahmen sind darin zu verankern, wie etwa die Entwicklung und Implementierung risikominimierender Beschaffungsstrategien oder die Durchführung von Schulungen und risikobasierten Kontrollmaßnahmen. Die Wirksamkeit der Prävention ist einmal jährlich und zusätzlich anlassbezogen zu überprüfen. Stellt das Unternehmen fest, dass eine Verletzung im eigenen Geschäftsbereich oder der Lieferkette bereits eingetreten ist oder unmittelbar bevorsteht, ist es verpflichtet, unverzüglich angemessene Abhilfemaßnahmen zu ergreifen.

Bürokratie statt Fairness und Entwicklung
Unter Androhung empfindlicher Strafen will das Sorgfaltspflichtengesetz deutsche Firmen darauf verpflichten, dass es in ihren internationalem Lieferketten zu keinerlei Menschenrechtsverletzungen oder Umweltschäden kommt. Das Ziel der Bundesminister Müller und Huberts Heil ist hehr. Doch mit dem Gesetz droht ein teures Bürokratiemonster, das die Situation der Menschen, für die es angeblich gemacht wurde, nicht verbessert. Afrikanische Länder warnen bereits vor den negativen Folgen des Vorhabens auf Wohlstand und Entwicklung.
Vor allem für den Mittelstand ist es nicht möglich, verästelte Lieferketten rund um die Uhr und in jeder Feinheit zu kontrollieren. Auch nicht mithilfe von Zertifizierern, die wohl zur kleinen Gruppe der wahren Gesetzesprofiteure gehören. Damit droht der Rückzug mittelständischer Investoren und Auftraggeber aus Regionen, für die der Ausbau von Handelsbeziehungen und Exporten bitter notwendig wäre. Dagegen lässt sich gleichförmige Massenware, bei der die Lieferketten weniger komplex sind, schon aufgrund des Mengenvorteils besser kontrollieren. Fast Fashion-Anbieter hätten somit einen „sorgfältigeren“ im Auftritt als jeder Traditionshersteller mit überwiegend europäischer Produktion.
Um Fairness oder Wohlstand in Entwicklungsländern geht es also kaum. Eher um Profilierungssucht in der Politik, um die die langfristige Sicherung finanzieller Pfründe für NGOs und eine sichere Einnahmequelle für ausgesuchte Berufsstände. Das ist Deutschland inzwischen ja gewohnt. Entsprechend bekam die deutsche Wirtschaft nur sechseinhalb Stunden, um den am 3. März 2021 im Kabinett beschlossenen Entwurf des Sorgfaltspflichtengesetzes ordentlich zu prüfen.

Menschenrechtsbeauftragter, Dokumentationspflichten und Beschwerdeverfahren

Innerhalb des Unternehmens ist eine Person zu benennen (Menschenrechtsbeauftragter), die die Einhaltung der Sorgfaltspflichten überwacht. Die Erfüllung der Sorgfaltspflichten sind intern fortlaufend zu dokumentieren. Beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle ist ein jährlicher Bericht einzureichen. Weiter besteht die Pflicht, ein unternehmensinternes – oder die Beteiligung an einem externen – Beschwerdeverfahren einzurichten, bei dem die Vertraulichkeit der Identität des Nutzers gewahrt sein muss. Auch Beschäftigten der mittelbaren Zulieferer muss eine Nutzung dieses Beschwerdeverfahrens möglich sein.

Pflichten im Hinblick auf mittelbare Zulieferer

Erlangt das Unternehmen substantiierte Kenntnis über eine mögliche menschenrechtliche Verletzung oder den Verstoß gegen eine umweltbezogene Pflicht bei einem mittelbaren Zulieferer, so ist das Unternehmen u.a. verpflichtet, eine Risikoanalyse durchzuführen, Präventionsmaßnahmen gegenüber dem Verursacher zu verankern und ein Konzept zur Minimierung und Vermeidung der Verletzung zu erstellen und umzusetzen.

Prozessstandschaft für Gewerkschaften und NGOs

Derjenige, der geltend macht, in einer überragend wichtigen Rechtsposition durch einen Verstoß gegen eine unternehmerische Sorgfaltspflicht verletzt worden zu sein, ist berechtigt, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen die Ermächtigung zur Prozessführung zu erteilen.

Keine Zivilrechtliche Haftung – aber hohe Bußgelder

Grundsätzlich positiv ist, dass der Gesetzesentwurf im Vergleich zum Eckpunktepapier aus dem letzten Jahr auf die Einführung eines neuen zivilrechtlichen Haftungsregimes verzichtet und damit Unternehmen nicht nach deutschem Recht für ausländische Schadensfälle anderer Unternehmen in der Lieferkette haften. Allein vor diesem Hintergrund ist das Engagement der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände und auch vieler Unternehmer der Maschenindustrie in den letzten Monaten ein wichtiger Erfolg.

Allerdings sieht der Entwurf die Verhängung von hohen Zwangs- und Bußgeldern bei Verstößen gegen das Gesetz vor. Große Firmen könnten so bis zu zwei Prozent ihres Umsatzes als Bußgeld bezahlen müssen. Ab einer Bußgeldhöhe von 175.000 Euro können Unternehmen zeitweise auch von öffentlichen Aufträgen ausgeschlossen werden. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle wird risikobasierte Kontrolle vornehmen und kann erforderliche Anordnungen und Maßnahmen treffen, um Verstöße gegen die Pflichten nach dem Sorgfaltspflichtengesetz zu beseitigen und verhindern.

Bild: © Alexander Kliem – pixabay.com