Maximale Verunsicherung ist wohl die treffende Beschreibung des derzeitigen Gemütszustands zahlreicher Unternehmer der Textil- und Bekleidungsbranche. Die Trump’sche Zollpolitik, die in den letzten Wochen die Märkte durcheinandergewirbelt hat, schein nur ein Vorbote einer fundamentalen Neuordnung des Welthandelssystems. Unsicherheit wird daher zum ständigen Begleiter. Die Situation im deutschen Heimatmarkt trägt kaum zur Beruhigung bei.
Zwar liegt nun ein Koalitionsvertrag auf dem Tisch, dem sich durchaus Gutes abgewinnen lässt. Doch heiße Eisen wie die überfällige Steuerreform und eine Begrenzung der Sozialabgabenlast scheint man in Berlin gar nicht erst anpacken zu wollen. In Brüssel wird an so genannten Omnibus-Paketen gefeilt, um erst unlängst beschlossene Bürokratiemonster ansatzweise handhabbar zu machen. Ob das gelingt, ist noch offen. Was öffentlich kaum diskutiert wird: Für den Großteil der Green Deal-Gesetzesvorhaben ist keine Verschlankung geplant. Die EU-Kommissionspräsidentin nennt das den Clean Industrial Deal für mehr Wettbewerbsfähigkeit. Neu daran ist lediglich eine dicke Subventionskruste, die mit Schulden erkauft ist und zu neuen Verzerrungen führt.
Damit die deutsche Textilbranche in einer neugeordneten Weltwirtschaft bestehen kann, müssen wir sämtliche Gesetze in Europa schleunigst einem Wettbewerbstest unterziehen. Das alles geschieht – so zumindest die offizielle Lesart – im Bewusstsein, eine bessere Welt erschaffen zu wollen. Doch Europa ist weder eine Insel noch eine Festung. Kaum jemand weiß das so gut wie die Unternehmen unserer stark international verflochtenen Branche. Am Standort Europa können wir nur bestehen durch ständige Innovation, Offenheit und Sicherung des fairen Wettbewerbs. Wenn Waren aus dem Ausland weniger Auflagen unterliegen wie die heimisch produzierten, und wenn gleichzeitig europäische Produkte im Ausland nicht mehr konkurrieren können, weil sie künstlich verteuert und verschlechtert sind, ist der Standort EU bald keine Option mehr. Daher ist jetzt Eile geboten: Damit Unternehmen wieder Vertrauen in den Investitionsstandort fassen können, müssen schleunigst spürbare Entlastungen her. Dazu bietet der Koalitionsvertrag durchaus Chancen, auch wenn sich der deutsche Mittelstand einen weitaus größeren Wurf gewünscht hätte.
Die Branche steht bereit, mit anzupacken: Noch stecken Unternehmen und unsere Forschungslandschaft in Deutschland voller Innovationskraft. Aufstrebende Märkte in vielen Teilen der Welt bieten neue Chancen, Qualität aus Europa gewinnbringend zu vermarkten. Vor allem dürfen sich die Koalitionäre nicht hinter einem angeblichen Brüsseler Diktat verschanzen. Zu lange hat Deutschland dem Brüsseler Mahlstrom an Gesetzen zugesehen und seine Taktung sogar noch befeuert. Zu lange fiel Deutschland durch „Gold Plating“ der Brüsseler Vorgaben auf. Wer es wirklich will, der kann jetzt auf europäischer Ebene dringend notwendige Reform der Institutionen anstoßen.