Neue Geschäftsmodelle für die Maschenindustrie

Neue Geschäftsmodelle für die Maschenindustrie

Das Stricken erlebt derzeit einen regelrechten Boom. Auch kleine Designlabels haben das Stricken als nachhaltige und individualisierbare Art der Modeherstellung für sich entdeckt.

Das Stricken erlebt derzeit einen regelrechten Boom. Auch kleine Designlabels haben das Stricken als nachhaltige und individualisierbare Art der Modeherstellung für sich entdeckt. Auch eine stetig wachsende DIY-Strickgemeinde und deren reger Austausch in Sozialen Medien und Blogs zeugen von dem Trend.

Zur technischen Umsetzung von Kleinserien und individuellen Strickdesigns sind Designer und kleine Unternehmen oft auf den Kooperationswillen von Lohnstrickereien angewiesen. Oder sie setzen auf eine teilweise automatisierte Herstellung durch Strickautomaten. Open Source-Software ermöglicht es alte Strickmaschinen digital zu steuern. Die Software Knitic beispielsweise beruht auf Brother Strickmaschinen aus den 1980er Jahren und ermöglicht eine schnelle Musterentwicklung auf handbetriebenen Strickmaschinen.

Das junge Unternehmen „Kniterate“ versucht die Lücke zwischen manuellem DIY-Stricken und industriellem Stricken mit einer kompakten und kostengünstigen Strickmaschine für den Hausgebrauch zu schließen. Zugunsten eines günstigen Preises und der vergleichsweise einfachen Handhabung verzichtet Kniterate auf Variantenvielfalt und neuste Maschinentechnologie. Zudem wird die Maschine lediglich in der Feinheit E7 angeboten und hat nur sechs Fadenführer. Ein niedrigschwelliges Serviceangebot in Form von Video-Tutorials und Broschüren soll den Nutzern das selbstständige Einarbeitung, Bedienung und Wartung der Maschine ermöglichen. Die Reduktion von Komplexität ist für einfache Anwendungen und Einsteiger reizvoll. Allerdings kann eine schnell ansteigende Lernkurve zu dem Wunsch führen, genau die komplexeren Technologien einzusetzen, die im professionellen Segment genutzt werden.

Auch etablierte Strickmaschinenhersteller haben den Wandel erkannt und bieten neben immer vielseitigeren, effizienteren und hochpreisigen Maschinen zunehmend auch reduzierte, kostengünstigere Maschinenvarianten an. Die Nachfrage, nach diesen Maschinen kommt insbesondere durch den Preisdruck und die Massenproduktion in Niedriglohnländern zustande, während Produktionen in Hochlohnländern weiterhin auf innovative Technologien und Produkte angewiesen sind. Das Aufkommen neuer, kostengünstiger Maschinen und Geschäftsmodelle bietet zudem auch neue Potenziale für die europäische Maschenwarenherstellung. So können die kompakten Strickmaschinen etwa zu Schulungszwecken für neuer Mitarbeiter eingesetzt werden, oder für Design-Workshops und zur On-Demand-Produktion in Ladengeschäften.  Auch könnten die Kompakten in frühen Produktentwicklungsstadien oder dem Rapid Prototyping hilfreich sein.

Bereits bei der Mass-Customization wurden Bestrebungen deutlich, Kunden stärker in den Designprozess einzubeziehen und individualisierte Produkte anzubieten. Der Wunsch von Verbrauchern, eigene Produkte mitzugestalten und die Bereitschaft, dafür Zeit zu investieren und entsprechende Preise zu bezahlen, bietet große Chancen. Durch die zunehmende Digitalisierung und Vernetzung gewinnen nicht-physische Produkte und Geschäftsmodelle in Zukunft weiter an Bedeutung. Für Maschinenbauer und Textilproduzenten birgt diese Entwicklung hohes Potenzial. Durch ihr technisches KnowHow und deren zur Verfügung stehenden Ressourcen können sie zu sogenannten „Enablern“ in einer variantenreichen, vernetzten Produktionstechnik werden.

→ Leon Reinsch, Institut für Textiltechnik Aachen, leon.reinsch@ita.rwth-aachen.de

Foto © Kniterate