Nach über zehn Jahren Verhandlungen hat die EU die Vorschläge für ein modernisiertes Ursprungsregelwerk im Rahmen der sog. Paneuropa-Mittelmeer-Zone gebilligt. Seit dem 1. September 2021 sind die Regeln bereits mit einigen Partnerstaaten anwendbar, so auch mit der Schweiz.
Teilnehmer der „PEM-Zone“ rund um die EU sind die EFTA-Länder, die Westbalkan-Staaten, Maghreb, Maschrek, die Türkei, die Ukraine, Georgien und Moldau. Alle Partnerstaaten wollen die neuen Regeln schrittweise ratifizieren. Die DG TAXUD informiert auf ihrer Internetseite in Echtzeit, mit welchen Ländern und ab welchem Zeitpunkt die EU die neuen Regeln – parallel zu den alten – anwendet. Dies sind aktuell:
Albanien, Färöer Inseln, Georgien, Island, Jordanien, Westjordanland und Gaza Streifen, Nord-Mazedonien, Norwegen, Schweiz (Stand 27.09.2021).
2-Systeme-Ansatz
Solange nicht alle Teilnehmerstaaten das modernisierte Regelwerk ratifiziert haben, sind parallel weiterhin die gewohnten PEM-Regeln anwendbar. Die parallele Anwendung neuer und alter PEM-Regeln, dürfte für die meisten Firmen großen Aufwand bedeuten. Viele Nutzer entscheiden sich daher für das alte System und verzichten auf die Vorteile des neuen.
Hinweis „Transitional Rules“
Wer nach den neuen Regeln arbeiten will, muss hierauf in ursprungsrelevanten Dokumenten mit dem Vermerk „Transitional Rules“ hinweisen. Langzeitlieferantenerklärungen, die auf Basis der alten Regeln – ohne Vermerk – ausgestellt wurden, hält die EU-Kommission für kein hinreichendes Vorpapier. Sie verlangt die rückwirkende oder Neuausstellung geeigneter Belege.
Liberalere Listenregeln
Weben und Stricken bzw. Wirken führt nach den neuen Regeln in Kombination mit bestimmten Ausrüstungsschritten zum Ursprung. Vliesstoffe erreichen den Ursprung auch bei Einsatz von Chemiefasern aus Drittländern. Bei der Garnherstellung erhalten mechanische Vorgänge auch neben dem Spinnen Relevanz. Konfektion kann nach Bedruckung zum Ursprung führen.
Volle Kumulierung
Die reformierten Regeln lassen – für Textil und Bekleidung nach gesonderter Vereinbarung – die volle Kumulierung zu. Hierbei ist es nicht notwendig, dass die Ware bereits bei Grenzübertritt den Präferenzursprung besitzt. Ein Praxisbeispiel für eine solche Konstellation sind Gestricke aus Drittlandsgarn, die zum Färben in die Schweiz gebracht werden. Hier ist das PV-Verfahren nun verzichtbar. Das gefärbte Gestrick erhält durch die neue Listenregel „Stricken und Färben“ Ursprung.
Erhöhte Toleranzen
Die Gewichtstoleranz wurde von den bisherigen 10 Prozent auf 15 Prozent heraufgesetzt, die Werttoleranz von 8 auf 15 Prozent. Im Rahmen der Toleranz dürfen Vormaterialien aus Drittländern ursprungsunschädlich eingesetzt werden. Die Sonderregel zur erhöhten Gewichtstoleranz von 20 Prozent beim Einsatz von Elasthan und die Ausklammerung von Einlage- und Futterstoffen aus der Werttoleranz bleiben erhalten.
Neue Bedrucken-Regel
Der Ursprung durch Bedrucken in Kombination mit Weben, Wirken, Stricken, Tuften oder Beflocken sowie durch Bedrucken als eigenständige Behandlung erfordert explizit die Anwendung von Sieb-, Walz-, Digital- oder Sublimationsdrucktechniken sowie den Erwerb einer „dauerhafte objektiv bewertbare Funktion“. Soll Bedrucken alleine zum Ursprung führen, sind zusätzlich eine Mindestwertschöpfung von 50 Prozent und mindesten zwei Vor- oder Nachbehandlungen gefordert.
Ursprungsnachweis
Die reformierten PEM-Regeln setzen wieder auf den Nachweis EUR.1 bzw. die Ursprungserklärung auf der Rechnung ohne Kumulierungsvermerk. Das EUR-MED mit Kumulierungsvermerk wird ad acta gelegt: Zu kompliziert, heißt es seitens der EU-Kommission. Zu Recht: Auch nach vielen Jahren der Anwendung sorgt der Kumulierungsvermerk immer wieder für Probleme.
↘ Silvia Jungbauer, +49 711 505284-11, jungbauer@gesamtmasche.hosting2.tn-rechenzentrum1.de
Bild: © Michael Gaida – pixabay.com