Am 31.07.2023 wurde das erste Set der neuen europäischen Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESRS) von der EU-Kommission verabschiedet. Sektorspezifische Regelungen sowie Standards für KMU und Unternehmen aus Drittstaaten sollen bis Juni 2024 in weiteren Sets folgen.
281 Seiten lang ist die deutsche Version des Anhang I der delegierten Verordnung, in welcher der europäische Standard für die Nachhaltigkeitsberichterstattung detailliert beschrieben wird. Die Tatsache, dass allein auf weiteren 41 Seiten im Anhang II Begriffsbestimmungen erfolgen, zeigt schon die hohe Komplexität des Themas auf. Qualitativ hochwertige Nachhaltigkeitsinformationen verspricht der neue europäische Standard, der eine Vielzahl von Nachhaltigkeitsthemen abdeckt. Allein durch diese aufwändige Berichterstattung wird allerdings noch kein Unternehmen nachhaltiger. Viel mehr besteht die Gefahr, dass die Firmen mit diesem zusätzlichen Bürokratieaufwand vollends überfordert werden und gar nicht mehr zur viel wichtigeren Umsetzung von Nachhaltigkeitsthemen kommen.
Berichterstattungspflicht
Durch die im Januar 2023 in Kraft getretene CSRD-Richtlinie (Corporate Sustainability Reporting Directive) wurden Unternehmen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet. Ab dem 1. Januar 2024 gilt diese Berichtspflicht für Unternehmen, die bereits heute zur nichtfinanziellen Berichterstattung verpflichtet sind (große kapitalmarktorientierte Gesellschaften mit mehr als 500 Mitarbeitenden nach § 289b HGB). Ab dem 1. Januar 2025 gilt sie dann auch für alle großen Kapital- und den über § 264a HGB gleichgestellten Personenhandelsgesellschaften, die zwei der drei Merkmale erfüllen: Bilanzsumme von mehr als 20 Mio. €, Nettoumsatz von mehr als 40 Mio. € mehr als 250 Mitarbeiter.
Neuer Berichtsstandard
Die Nachhaltigkeitsberichterstattung ist nach dem neuen, nunmehr von der EU-Kommission verabschiedeten europäischen Standard vorzunehmen (European Sustainability Reporting Standards, ESRS). Sie hat in einem eigens dafür vorgesehenen Abschnitt im Lagebericht in einem maschinell auslesbaren Format zu erfolgen und unterliegt einer verpflichtenden externen Prüfung, zunächst mit begrenzter Sicherheit (limited assurance). Der ESRS setzt sich aus insgesamt zwölf Einzelstandards zusammen, zwei bereichsübergreifenden Standards, die auf alle Nachhaltigkeitsthemen angewendet werden und zehn themenspezifischen Standards, fünf aus dem Bereich Umwelt (E), vier aus dem Bereich Soziales (S) und einer zum Thema Governance (G):
Übergeordnete Standards | Umwelt | Soziales | Governance |
ESRS 1 Allgemeine Anforderungen | ESRS E1
Klimawandel |
ESRS S1
Eigene Belegschaft |
ESRS G1 Unternehmenspolitik |
ESRS 2 Allgemeine Angaben | ESRS E2 Umweltverschmutzung | ESRS S2
Arbeitskräfte in der Wertschöpfungskette |
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ESRS E3
Wasser- und Meeresressourcen |
ESRS S3
Betroffene Gemeinschaften |
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ESRS E4
Biologische Vielfalt und Ökosysteme |
ESRS S4
Verbraucher und Endnutzer |
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ESRS E5 Ressourcennutzung und Kreislaufwirtschaft |
Die ESRS definieren für die Einzelstandards die Berichterstattungsbereiche mit den Elementen
– Governance (GOV), welches sich mit dem Verfahren zur Überwachung von Auswirkungen, Risiken und Chancen beschäftigt
– Strategie und Geschäftsmodell (SBM), welches den Umgang des Unternehmens mit den Themen beinhaltet
– Management der Auswirkungen, Risiken und Chancen (IRO), welches auch die „Wesentlichkeit“ bewertet
– Parameter und Ziele (MT), die die Leistung des Unternehmens und die Fortschritte messen.
Für die ESRS 2 werden Mindestangabepflichten in Bezug auf Strategien (MDR-P) und Maßnahmen (MDR-A), sowie für Parameter (MDR-M) und Ziele (MDR-T) definiert.
Doppeltes Wesentlichkeitsprinzip als Grundlage
Grundsätzlich berichtspflichtig ist der ESRS 2 „Allgemeine Angaben“. Alle anderen ESRS-Standards unterliegen einem Wesentlichkeitsvorbehalt. Wesentlich und damit auch berichtspflichtig sind diese Nachhaltigkeitsthemen, soweit sie erhebliche tatsächliche oder potenzielle Auswirkungen des Unternehmens auf Menschen oder Umwelt haben (Inside-out-Perspektive) oder wenn sie kurz-, mittel- oder langfristig erhebliche finanzielle Auswirkungen auf das Unternehmen haben oder haben können (Outside-in-Perspektive). Die Durchführung und Bewertung der „Wesentlichkeit“ ist damit Dreh- und Angelpunkt der Berichterstattung und ihres Umfangs.
Komplexität der Datenbeschaffung
Daten zu nichtfinanziellen Informationen liegen in vielen Unternehmen in dem für die Berichterstattung notwendigen Umfang meist noch nicht vor und müssen erst erfasst, digitalisiert und über ein effektives Nachhaltigkeitsmanagementsystem aus den unterschiedlichen Bereichen des Unternehmens digitalisiert zusammengeführt werden. Aufgrund der Vielzahl der Nachhaltigkeitshemen und der in diesem Zusammenhang zu erhebenden Datenpunkte ist der diesbezügliche Aufwand und Aufbau der notwendigen Berichtsstrukturen und -prozesse äußerst umfangreich.
Taxonomieverordnung
Zur Nachhaltigkeitsberichterstattung nach dem ESRS kommen noch die Angaben der Taxonomieverordnung hinzu. Hier sind Angaben zu ökologisch nachhaltigen Umsatzerlösen, Investitionsaufwendungen und Betriebsaufwendungen zu machen, die zu mindestens einem der 6 Umweltziele beitragen: Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme.