Ökodesign-Verordnung schafft neue Bürokratiefallen

Ökodesign-Verordnung schafft neue Bürokratiefallen

Neben dem Vernichtungsverbot für unverkaufte Textilwaren sieht die neue Ökodesign-Verordnung die Einführung des Digitalen Produktpasses (DPP) vor. Für den Mittelstand droht statt mehr Effizienz neue Bürokratie.

Schon 2024 könnte die neue Ökodesign-Verordnung (ESPR) in Kraft treten. Sie ermächtigt die EU-Kommission, branchenspezifische Ökodesign-Anforderungen in Form delegierter Rechtsakte zu erlassen. Neben dem viel diskutierten Vernichtungsverbot für unverkaufte Textilwaren sieht die ESPR die Einführung des Digitalen Produktpasses (DPP) vor. Er soll umweltrelevante Informationen wie Materialien oder Reparierbarkeit eines Produkts in einem digitalen System bündeln. Das klingt nach Effizienz. Doch für den textilen Mittelstand könnte die nächste Bürokratiefalle drohen.

Branchenspezifische Anforderungen

Der EU-Rat hat am 22. Dezember 2023 die neue Ökodesign-Verordnung (ESPR) gebilligt. Die neue Regelung beinhaltet Anforderungen an Haltbarkeit, Reparierbarkeit, Wiederverwendung, Ressourceneffizienz und den CO2-Fußabdruck von Produkten. Die ESPR dürfte noch 2024 in Kraft treten. Um die Wirksamkeit von Ökodesign-Anforderungen zu maximieren, kann die EU in Form delegierter Rechtsakte horizontale Ökodesign-Anforderungen für ein breiteres Spektrum von Produktgruppen festlegen, so auch für Textilien. Der Kompromisstext sieht eine Mindestfrist von 18 Monaten für die Anwendung der delegierten Rechtsakte zur Festlegung der Ökodesign-Anforderungen für Produktgruppen vor: Danach wird Den EU-Mitgliedstaaten wird eine Frist von zwei Jahren eingeräumt, um entsprechende Kontrollmaßnahmen und Geldbußen zu regeln. Für die Branche besonders bedeutsame Neuerungen sind das Vernichtungsverbot für unverkaufte Waren und die Einführung eines digitalen Produktpasses.

 

Vernichtungsverbot und Informationspflichten

Das Vernichtungsverbot betrifft Textilien und Schuhe und kommt 24 Monate nach Inkrafttreten der Verordnung zur Anwendung. Für mittlere Unternehmen (<250 Mitarbeiter) greift das Verbot sechs Jahre nach Inkrafttreten. Kleine (<50) und Kleinstfirmen (<10) sind von dem Verbot ausgenommen. Neben dem Verbot werden umfassende Informationspflichten zu Mengen und Verbleib unverkaufter Produkte eingeführt.

 

Digitaler Produktpass (DPP)

Der DPP soll über einen QR-Code Auskunft über wichtige Produkteigenschaften und die Nachhaltigkeit von Waren geben. Das soll Konsumenten die Kaufentscheidung und Behörden die Kontrolle der Marktkonformität von Produkten erleichtern. Zur Marktkonformität gehören neben materiellen Produkteigenschaften in Kürze auch Merkmale wie die Lieferkettensorgfalt – und die neuen Ökodesign-Anforderungen. Worauf sich Wirtschaftsakteure aber genau einstellen müssen, welche Informationen genau zu hinterlegen sind, wer Zugang enthält oder welche Datenträger zu verwenden sind, ist derzeit allerdings noch unklar. Diese Fragen werden erst später in sogenannten delegierten Rechtsakten für die einzelnen Produktgruppen festgelegt. Bei einem einfachen Produkt ist davon auszugehen, dass es aus wenigen Bauteilen besteht und nur wenige Produktionsschritte durchläuft. Dann enthält auch der DPP dieses Produkts nur wenige Merkmale. Mit steigender Komplexität eines Produkts, z. B. einem Bekleidungsstück aus zahlreichen Komponenten, die sich wiederum aus Subprodukten zusammensetzen, steigt die Anzahl der Merkmale, die der DPP enthalten muss, sprunghaft an.

Data Economy Readiness in Deutschland 2022 – © IW-Grafik; IW-Report 47/2023, Digitaler Produktpass – Enabler der Digital Economy

Viele KMU nicht „data economy ready“

Der DPP kann auch für die Textilbranche ein wichtiger Hebel für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft sein. Der DPP erhöht die Transparenz bei allen Marktteilnehmern und erleichtert dadurch z. B. die effiziente Wiederverwendung. Gleichzeitig entstehen jedoch ein erheblicher Dokumentationsaufwand und die Notwendigkeit von Investitionen in Technologie und Personal, die sich für viele Firmen derzeit kaum stemmen lassen.

↘ Der Text des aktuellen ESPR-Vorschlags kann unter http://tinyurl.com/4rx94k44 heruntergeladen werden.