VerPlaPoS: Verbraucherreaktion auf Plastik und Vermeidungslösungen am PoS
Viele Produkte des täglichen Bedarfs sind mit Plastik verpackt – auch Textilien. Beim Kauf dieser Produkte trägt der Konsument – oft unbewusst – zum steigenden Plastikkonsum bei. Ein kompletter Verzicht auf Plastik ist schwierig. Schließlich sind viele Verpackungen für eine gleichbleibende, hohe Produktqualität notwendig. Doch wie kann der Verbraucher durch seine Kaufentscheidung Kunststoffabfälle vermeiden? Wie können Hersteller und Handel ihn durch verschiedene Vermeidungsstrategien unterstützen?
Ein Projektkonsortium aus Fachinstituten der Universitäten Münster, Marburg, Stuttgart und Weihenstephan sowie das Fraunhofer-Institut nimmt seit 2017 das Einkaufsverhalten der Verbraucher und verschiedene Vermeidungsmöglichkeiten von Plastik unter die Lupe. Im Zentrum steht die Frage, wie Konsumenten durch ihre Kaufentscheidungen am Point of Sale das Entstehen von Kunststoffabfällen vermeiden können und inwiefern man ihnen, z. B. durch verschiedene Vermeidungsstrategien, hierbei Hilfestellung leisten kann. Neben dem Aufkommen von Plastikverpackungen und deren Vermeidungsmöglichkeiten am Point of Sale klopfen die Forscher die gesamte textile Lieferkette auf Vermeidungs- und Recyclingmöglichkeiten ab. Daneben werden verschiedene Kunststoffalternativen bewertet (Ökobilanzierung) und die Entwicklung von neuen Produkten und Verfahren vorangetrieben, die zur Reduzierung des Plastikkonsums beitragen.
Miterwerb von Plastik am PoS
Zur Analyse des Einkaufsverhaltens wurden Herrenoberhemden, Softshelljacken, Wanderhosen und Funktionsunterwäsche untersucht. Kunststoff im Textil – das ist weithin akzeptiert. Chemische Fasern werden als notwendig für die Erfüllung gewünschter Funktionen wie Pflegeleichtigkeit oder Wasserfestigkeit wahrgenommen. Was Plastik als Verpackungsmaterial in der Supply Chain angeht, bestehen für Verbraucher wenig Möglichkeiten zur Vermeidung. Diese Verpackungen sind am Point of Sale in der Regel nicht sichtbar. Konsumenten sehen Vermeidungsmöglichkeiten am ehesten im Mitbringen eigener Einkaufstaschen oder in der Reduktion des Online-Shoppings.
Plastik im Online-Handel sichtbarer
Aufgrund der Versand- und Schutzverpackungen sind die Verbraucher beim Online-Handel direkt mit Kunststoff konfrontiert. Hier lässt sich eine gesteigerte Problemwahrnehmung feststellen. Auch der Erwerb von Second-Hand-Kleidung sowie die generelle Reduktion des Textilkonsums werden zum Teil als Möglichkeiten wahrgenommen, um weniger Verpackungsmüll im Textilbereich zu produzieren. In weiteren Untersuchungen wollen die Forscher daher die Motive und Handlungsweisen beim Online-Kauf näher erforschen und prüfen, ob Konsumenten schon beim Bestellvorgang Verpackungsalternativen mit weniger Kunststoffeinsatz präferieren würden.
Rolle von Plastikverpackungen für den Handel
Bei der Untersuchung der Rolle von Plastikverpackungen für den Handel wurden sowohl das Sortiment des Textileinzelhandels sowie die Entsorgungswege des anfallenden Plastikabfalls in den Geschäften erfasst. Das Ergebnis beider Analysen ist, dass bei den Praxispartnern im Handel jährlich mehrere Kilogramm Plastikverpackungen wie z. B. Polybags für die betrachteten Produkte Wanderhosen, Softshelljacken und Herrenoberhemden anfallen. Funktionsunterwäsche wird hingegen in Kartonage verpackt angeliefert und verursacht somit bei den Praxispartnern keinen Plastikabfall.
Plastikeinsatz entlang der Supply Chain
Im Zuge der Untersuchung wurden relevante Stakeholder entlang der Supply Chain zum gegenwärtigen Zustand sowie Anforderungen an einen optimierten Soll-Zustand des Plastikeinsatzes in der Lieferkette befragt. Plastik wird in der textilen Lieferkette primär zur Erfüllung der Schutz-, Transport- und Kennzeichnungsfunktion eingesetzt und tritt in Form von Polybeuteln, Schutzfolien, Hangtags und Kleiderbügeln auf. Hierbei wird das Plastik teils in Kreisläufen wiederverwendet, wie z. B. im Fall von Kleiderbügeln. Teils wird das Plastik jedoch auch ohne Mehrfachnutzung mit den anderen Kunststoffabfällen entsorgt, wie z. B. mehrheitlich im Fall von Polybeuteln.
Häufiges Ein-, Aus- und Umpacken
Bei mehrstufigen Betrieben werden Umverpackungen für den Transport von Halbfertigprodukten zwischen Konfektionären benötigt. Halbfertigprodukte werden einzeln oder im Verbund in Polybeutel oder Kunststofffolie verpackt. Laut Praxispartnern sind auch die „Zutaten“ (z.B. Knöpfe oder Reißverschlüsse) für die Produktion häufig in Kunststoffbeuteln verpackt oder mit Kunststofffolie umwickelt. Bei hochwertiger Bekleidung erfolgen zusätzliche Arbeitsschritte wie Aufbereitungs-, Veredelungs- oder Qualitätssicherungsdienstleistungen, die nur unverpackt durchgeführt werden können. Folglich ist auch in diesem Fall ein zusätzliches Aus- und Einpacken der Produkte nötig.
Online-Handel: Mehr Verpackung wegen Retouren
Ein weiteres Forschungsergebnis aus Gesprächen mit den Praxispartnern ist, dass der Onlinehandel durch die erhebliche Retourenquote den Verpackungsbedarf weiterhin erhöht, da der überwiegende Anteil der Verpackungen nach dem Auspacken nicht wiederverwendet werden kann.
Weniger Polybeutel und mehr Information
Polybeutel haben sich aufgrund der zuvor genannten Beobachtungen als zentraler Hebel für die Verringerung von Kunststoffaufkommen und den Einsatz hochwertiger Recycling-Verfahren innerhalb textiler Lieferketten erwiesen. Zudem wurden Informationsdefizite über die Notwendigkeit des Einsatzes von Plastikverpackungen zwischen befragten Akteuren festgestellt. Folglich sind Prozesse einzelner Partner der Lieferkette nicht optimal aufeinander abgestimmt. Daraus resultiert ein ineffizient hoher Einsatz von Plastikverpackungen. Als wesentlicher Optimierungsschritt wurde deshalb die systematische Analyse der eigenen Lieferkette (inkl. vor- und nachgelagerter Akteure) identifiziert. Die Akteure entlang der Lieferkette besitzen einen unterschiedlichen Kenntnisstand zur Notwendigkeit des Einsatzes von Plastikverpackungen.
Leitfaden zeigt Vermeidungsstrategien auf
Zur systematischen Analyse der eigenen Supply Chain hinsichtlich Vermeidungspotenzial von Plastikverpackungen haben die VerPlaPoS-Forscher ein Leitfaden erstellt. Dieser soll einen standardisierten Austausch über Prozessschritte und dabei eingesetztes Verpackungsmaterial zwischen vor- und nachgelagerten Akteuren ermöglichen. Zur Reduzierung von Polybags und Einwegtransportboxen wird der Einsatz nachhaltigerer Verpackungsalternativen analysiert. Diese umfassen sowohl die Untersuchung von Mehrwegtransportboxen als Transportlösung im Rahmen eines Business Case als auch die Bewertung von Polybag-Alternativen wie beispielsweise wiederverwendbare Polybags, recycelte Polybags und Seidenpapier.
3D-Druck als innovative Recycling-Strategie
Für Plastik-Abfälle, die in der textilen Lieferkette nicht vermieden werden können, müssen innovative Recycling-Strategien entwickelt werden. Zusammen mit dem 3D-Druck Unternehmen Urbanmaker UG wurden verschiedene Tests zur Verwendbarkeit recycelter Plastikabfälle und deren Druckbarkeit im 3D-Drucker getestet. Während die Recyclingfähigkeit und damit die Wiederverwendbarkeit von recycelter Folie (z.B. Polybags) im 3D-Druck sich aufgrund mangelnder Sortenreinheit und eines unwirtschaftlich hohen Aufwands als schwierig erweist, stellen Kleiderbügel eine interessante Option dar. Hier haben Tests sortenreiner Kunststoffbügel (PP oder PS) ergeben, dass die Herstellung von Recycling-Filament möglich und dieses für den 3D-Druck verwendbar ist. Auf Basis der bisherigen Testergebnisse wird derzeit an einem Business Case für lokal/regional durchführbare Recycling-Konzepte gearbeitet. Ziel ist, beim Verbraucher ein Bewusstsein für den Rohstoff Plastik zu schaffen. Begleitet wird die Projektarbeit durchgehend von Lebenszyklusdenken und der Betrachtung aller relevanten Einflüsse.
Plastikindex misst die Nachhaltigkeit
Die Entwicklung eines Plastikindex (PLIX) ermöglicht die verbraucherfreundliche Darstellung von Nachhaltigkeitsaspekten der Plastikverpackungen. Neben den Plastikmengen und –arten wird darin auch ihre Recyclingfähigkeit sowie die Umweltwirkungen der Kunststoffherstellung bewertet. Diese Ergebnisse werden genutzt, um in einer Smartphone-App das Plastikaufkommen für Verbraucher zu visualisieren und den Einfluss der Schlüsselparameter verständlich zu machen. Eine Identifikation von Hot-Spots bzgl. des Plastikaufkommens hilft dabei, eine generische Datengrundlage aufzubauen, die stellvertretend für die gängigsten Lieferketten sein kann.
Ausblick
Bis zum Abschluss des Verbundprojekts Ende 2020 soll eine ganzheitliche Bewertung verschiedener Kunststoffalternativen erfolgen. Auch der Multi-Channel-Handel soll in die Analyse einbezogen werden. Das Forschungsteam will am Beispiel der textilen Lieferkette von der Türkei nach Deutschland das Kunststoffaufkommen analysieren und Vermeidungspotenziale aufzeigen. Der Leitfaden zur Plastikvermeidung wird bis zum Jahresende einem Praxistest unterzogen. Daneben will das Team praxisorientierte Handlungsempfehlungen zur Verringerung des Verpackungsaufkommens erarbeiten. Hierzu ist u. a. eine deutschlandweite Verbraucher-Online-Umfrage zum Thema Plastikverpackungen von Textilien geplant, außerdem Verbraucherinterviews zum Thema Online-Handel im Textilbereich.
VerPlaPoS mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung im Förderschwerpunkt Sozial-ökologische Forschung unter dem Förderkennzeichen 01UP1701 gefördert