Umgeben von politischen, wirtschaftlichen und ökologischen Krisen scheint der afrikanische Kontinent eine Chance zu erhalten, sich als Beschaffungsalternative in der Textilwirtschaft zu entwickeln. Noch dürfte das die Konkurrenz in China und Bangladesch kaum beunruhigen. Teilweise schicken die Asiaten aber schon ihre Nähmaschinen in Länder wie Äthiopien, Kenia oder Ghana. Das Preis-, Qualitäts- und Mengengefüge ist in vielen Staaten Afrikas noch nicht attraktiv genug. Doch das ändert sich. Beispiel Senegal: Das Land entwickelt sich rasch zum Standort für zertifizierte Baumwolle und besinnt sich auf seine textile Tradition.
Im Süden Senegals begünstigen ausreichende Niederschläge, hohe Durchschnittstemperaturen und der Wechsel zwischen trockener und feuchter Jahreszeit den Anbau von Baumwolle. 2019/2020 hat die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) unter der Marke „Invest for Jobs“ (https://invest-for-jobs.com/) erstmals erfolgreich den Anbau von Biobaumwolle umgesetzt. Eine Ecocert-Zertifizierung liegt bereits vor, GOTS soll 2023 folgen. Gleichzeitig hat die GIZ im Abstimmung mit dem Gesamtmasche-Projekt „Partner Africa Senegal“ begonnen, die verbliebenen, ehemaligen textilen Staatsbetriebe technisch zu durchleuchten. Das Fazit: Das Land verfügt über einen soliden Maschinenpark mit europäischen Qualitätsmaschinen, der momentan wieder in Gang gesetzt wird. Auch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) unterstützt finanziell die Reaktivierung der Unternehmen. Die Garnproduktion soll bereits 2023 anlaufen.
Gesamtmasche ist mit dem Projekt „Partner Africa Senegal“ ebenfalls unter der Flagge von „Invest for Jobs“ unterwegs. Bei dem Programm geht es vor allem um die Schaffung von Arbeitsplätzen. „Der Markt dafür ist gegeben“, sagt Dr. Stephan Kunz, Leiter des GIZ-Ländervorhabens der Sonderinitiative. „320 Millionen Menschen in Westafrika haben eine besondere kulturelle Wertschätzung für Kleidung. Wenn sich der lokale und regionale Markt schnell etabliert, können auch erste Nischenmärkte in Europa beliefert werden.“
Panafrikanische Verbindungen wurden unlängst auf der African Sourcing and Fashion Week mit Unterstützung von Gesamtmasche und der GIZ in Addis Abeba ausgebaut. Konfektion für Europa erwartet die GIZ ab 2026. Das Zusammenspiel verschiedener nationaler und internationaler Organisationen, privater und öffentlicher Akteure schafft die Möglichkeit, textile Wertschöpfung anders und koordiniert zu denken. International zertifizierter Biodünger und nachhaltige Baumwolle werden bereits produziert. Garn- und Gewebeproduktion sind in Vorbereitung. Der vertikale Ansatz ist vielversprechend und soll schrittweise als Alternative auch für Industrie und Handel in Europa ausgebaut werden. Schon jetzt hat die GIZ in Pilotprojekten ein eigens entwickeltes, digitales System zur Rückverfolgung der gesamten Kette etabliert. Partner Africa Senegal kann auf diesen Erfahrungen aufbauen, auch mit Blick auf das Lieferkettengesetz.
Die genannten Aktivitäten werden unter dem Label SENTEX zusammengefasst, das in einem internationalen Verband münden soll. SENTEX steht für eine konstruktive Partnerschaft aller Akteure auf Augenhöhe. Erste europäische Partner haben bereits ihr Interesse bekundet. Bis Ende 2025 wird dieser Prozess weiter von der GIZ und Partnern wie Gesamtmasche begleitet.
Bio-Baumwolle gewinnt Boden
Das Gesamtmasche-Partnerschaftsprojekt im Senegal hat sich im Jahr 2022 vor allem der Stärkung des Bio-Baumwollanbaus gewidmet. Begleitend zur Anbauperiode fanden Insgesamt sechs mehrtägige Workshops für Farmer statt. Dabei ging es darum, unter Beachtung ökologischer Maßgaben die Qualität der Baumwolle zu verbessern, den Ertrag zu steigern und Schädlinge zu bekämpfen.
Interesse an Bio-Qualitäten wächst
Partner Africa Senegal hat sich zum Ziel gesetzt, mehr senegalesische Bauern für den Anbau zertifizierter Bio-Baumwolle zu gewinnen und eine qualitativ hochwertige Wertschöpfungskette aufzubauen. Da die Farmer in diesem Jahr mit starkem Schädlingsbefall ihrer Felder zu kämpfen hatten, waren die Nachfrage nach Unterstützung besonders groß. Das Schulungsprogramm, das den gesamten Erntezyklus begleitet, wird auch im Jahr 2023 fortgeführt.
Trotz überdurchschnittlich guter Regenperiode sind die Ertragsaussichten 2022/2023 durch den Einfall der Zwergzikaden stark gesunken. Der Parasit hat die Baumwolle in ganz Westafrika dezimiert. Die Stimmung bei den Bauern ist sehr angespannt. Das Schulungsangebot des Projektes kam zur rechten Zeit: Die Bio-Methoden zur Schädlingsbekämpfung erweisen sich als wirksamer als der Einsatz teurer Pestizide.
Flächenausweitung angestrebt
2023 sollen erheblich größere Flächen für den Bio-Baumwollanbau zur Verfügung stehen. Außerdem soll die Instandsetzung und Modernisierung der im Projekt eingebundene Spinnerei Domitexika abgeschlossen werden. Hier will das Projekt auf der Basis heimischer Bio-Fasern in einer Pilotphase erste Öko-Garne made in Senegal ausspinnen lassen und gemeinsam mit lokalen Herstellern Produkte daraus entwickeln.
Biodünger und ökologische Schädlingsbekämpfung
Die senegalesische Regierung hat die Bedeutung des Partnerschaftsprojektes und seines Beitrags zur Wiederbelebung der textilen Wertschöpfungskette schnell erkannt. Entsprechend wurde politische Unterstützung beim Zugang zu zertifizierten Biodüngern zugesagt. Mit Neemölpressen wird das Projekt die Schädlingsbekämpfung auf den Bio-Baumwollfeldern zusätzlich fördern. Das dürfte sich auch positiv auf die Ernteerträge auswirken.
Bonjour aus dem Projektbüro Dakar!
Im Sommer 2022 ging das Partner Africa Senegal-Projektbüro in Dakar an den Start. Projektmitarbeiterin vor Ort und erste Anlaufstelle für die projektbeteiligten Textilunternehmen in Senegal ist Laure-Emmanuelle Santos. Die Bankkauffrau, die Französisch, Englisch und Wolof spricht, hat sich schnell für den Textilsektor begeistert. Vom 18. bis 31. Dezember begleitet sie die Workshopreihe mit Bio-Baumwoll-Bauern in der Region Tambacounda. Verortet ist das Büro im Haus der GIZ Dakar. So lassen sich Synergien mit dem starken Partner GIZ optimal nutzen.
Besuch ASFW in Addis Abeba
Im November 2022 hat das Projekt die Teilnahme zweier Nachwuchs-Führungskräfte der Partnerorganisation SODEFITEX an der African Sourcing & Fashion Week in Addis Abeba ermöglicht. Das Thema Bio-Baumwolle wurde rege nachgefragt. So können die Projektpartner mit neuer Überzeugung an das Thema herangehen.