SPEIDEL: Zwischen Tradition und Innovation

SPEIDEL: Zwischen Tradition und Innovation

Seit einem Jahr ist Swenja Speidel Mitglied der Geschäftsführung der Speidel GmbH. Im Interview mit Gesamtmasche spricht sie über ihre neue Rolle und die Zukunft des Wäscheherstellers Speidel.

Mit Swenja Speidel übernimmt die dritte Generation der Gründerfamilie Verantwortung für das Familienunternehmen. Vor über siebzig Jahren gegründet, hat sich Speidel als Marke für hochwertige Wäsche made in Europe etabliert. Swenja Speidel will diese Erfolgsgeschichte in moderner Weise fortschreiben. Wie gestaltet sie ihre Rolle als junge Geschäftsführerin einer Traditionsmarke? Wie geht sie mit den Herausforderungen des Marktes um? Die masche hat nachgefragt.

Speidel ist für mich nicht Arbeit, sondern Familie.“
Swenja Speidel, Geschäftsführerin Speidel

Frau Speidel, war es für Sie schon immer klar, dass Sie in das Familienunternehmen
einsteigen wollen?

Ja, denn Speidel ist für mich nicht in erster Linie Arbeit, sondern Familie. Ich bin so aufgewachsen und kenne es gar nicht anders. Schon als Kinder waren meine Schwester Alissa und ich auf Messen in New York, haben bei Sonderverkäufen geholfen und mit unseren Cousinen zwischen den Stoffballen gespielt. Während der Schulzeit habe ich auch in den Ferien im Unternehmen gearbeitet. Ich bin da richtig reingewachsen und wollte schon  immer Verantwortung übernehmen. Mein Vater ist in dieser Hinsicht ein großes Vorbild.

Was ist Ihre wichtigste Aufgabe als Geschäftsführerin?

Ich bin für die Bereiche Marketing, Produktmanagement, Design, eCommerce und Vertrieb verantwortlich. 2011 stieg ich zunächst ins Speidel-Vertriebsteam ein. Das war ideal, weil ich so unser Unternehmen, unsere Handelspartner und unsere KundInnen intensiv kennenlernte. In dieser Zeit habe ich meine Leidenschaft für das Marketing entdeckt. Das Marken- und Produktmanagement habe ich in den letzten Jahren weiter ausgebaut. Darin sehe ich auch meine zentrale Aufgabe als Geschäftsführerin.

Welche Veränderungen bringt der Generationswechsel mit sich?

Wir sind ein Traditionsunternehmen und werden es auch bleiben. Das gesunde Zusammenspiel von Tradition und Veränderung ist wichtig. Unser Claim lautet schließlich “Conscious since 1952”. Das bedeutet für uns, ganzheitlich bewusst zu handeln. Im Hinblick auf unsere Kunden, unsere Mitarbeiter und die Umwelt. Wir garantieren hohe Qualität und produzieren nachhaltig und umweltschonend in Europa. Bei der Kollektionsentwicklung
orientieren wir uns an den Ansprüchen unserer Kundinnen und testen unsere Produkte am liebsten selbst. All das sind Werte, die uns als Familie wichtig sind und die wir in unserer Unternehmenskultur leben. Gleichzeitig  interpretieren wir unsere Traditionen immer wieder neu und entwickeln uns weiter.

Bild: SPEIDEL

Mode, die im Trend und gleichzeitig nachhaltig ist – wie setzen Sie das bei Speidel um?

Unsere Wäsche ist trendy, aber nicht High-Fashion. Sie orientiert sich an modernen Farben und Schnitten, bleibt aber zeitlos modern. Entscheidend ist, dass die Qualität stimmt. Denn dann hat man lange Freude an den
Produkten. Nachhaltigkeit steckt bei uns in jedem Arbeitsschritt. Wir produzieren unsere Stoffe in unserer eigenen Strickerei in Bodelshausen nach OEKO-TEX® Standard 100 und konfektionieren unsere Wäsche in eigenen Betrieben in Ungarn und Rumänien. So haben wir jeden Arbeitsschritt selbst in der Hand und können eine hohe Qualität garantieren. Außerdem bleiben die Transportwege kurz.

Die Klima- und Nachhaltigkeitsziele der EU sind riesige Herausforderungen für die Branche. Wie gehen Sie damit um?

Wir arbeiten daran, vermeidbare Emissionen so weit wie möglich zu reduzieren und unvermeidbare Emissionen zu kompensieren. Seit 2021 sind wir offiziell als klimaneutrales Unternehmen zertifiziert. 35 Prozent unseres Stroms kommen bereits aus Photovoltaik. Unser Engagement für Nachhaltigkeit ist auch für unsere KundInnen spürbar: Bestellungen über unseren Online-Shop versenden wir klimaneutral und in einem Graskarton, der zu 30  Prozent aus Gras und zu 70 Prozent aus Altpapier besteht. Bei unseren Stoffen setzen wir verstärkt auf Recyclingmaterial. Vor allem haben wir keine Überproduktion: Wir produzieren nur das, was wir brauchen. Reste werden über Outlets abverkauft, und Basics lassen sich problemlos über längere Zeiträume anbieten.

Bild: SPEIDEL

Der deutsche Textilmarkt ist geprägt von billiger Massenware, obwohl der regulatorische Druck wächst. Was ist zu tun?
Die Konsumenten reagieren übertrieben preisempfindlich. Mehr Wert auf bewusstes Konsumieren zu legen und die Wertschätzung gegenüber Textilprodukten wieder zu heben, würde unserer Branche sehr helfen. Ein gutes Kleidungsstück ist besser als fünf schlechte. Doch solange solche Angebote existieren, wird weiter Konsum im Unverstand betrieben. Hier sollte die Politik mehr Verbraucheraufklärung anstreben und wieder mehr Diskurs wagen, damit Verhältnismäßigkeit einkehren kann.

Die Vertriebskanäle wandeln sich. Der Online-Handel ist gewachsen, gleichzeitig wanken Kaufhäuser und größere Retailer. Wie positioniert sich Speidel?

Wir haben unser Online-Geschäft erfolgreich ausgebaut und verzeichnen nach wie vor Wachstum. Die Insolvenzen wichtiger Player im Einzelhandel sind auch für Speidel herausfordernd. Dazu kommen Lieferverzögerungen, z. B. aus Italien. Unser Vorteil sind zum einen unsere langjährigen Lieferantenbeziehungen: Als verlässlicher Partner haben wir auch in der Corona-Zeit niemanden im Regen stehen lassen. Gleichzeitig haben wir unser Lager verdoppelt. Das zahlt sich nun aus, und wir bleiben immer lieferfähig. Zum anderen haben wir unsere Präsenz im kleineren Retail gestärkt. Speidel spricht Frauen aller Altersgruppen an.

Wer ist die typische Speidel-Kundin?

Unser Social Media-Auftritt hat uns immens geholfen, jüngere Kundinnen stärker zu erreichen als früher, und zwar ohne riesiges Investment. Unsere Young Basics für das Frühjahr 2024 kommen bestens an. Gleichzeitig haben wir nur ein Designteam für alle Linien. Allen unseren Kundinnen, egal wie alt oder jung, ist das gute Preis-Leistungsverhältnis wichtig. Sie wünschen sich gute Produkte und wollen sich gut fühlen in dem, was sie tragen. Die „klassische Baumwollkundin“ bedienen wir z. B. mit unserer „Be natural“-Qualität in Naturfarben, ohne chemische Behandlung. Nachhaltigkeit und funktionelle Fasern verbinden wir mit unserer Tencel-Linie „Simply” aus CO2-neutralen Fasern und mit unserer Linie „Pure“ aus Recycling-Polyamid.

Über die SPEIDEL GmbH
„Conscious since 1952“: Das ist die Philosophie, mit der Speidel seit drei Generationen erfolgreich ist. Günter Speidel und seine Tochter Swenja Speidel führen das Unternehmen gemeinsam mit Alexander Beck. Gegründet wurde Speidel von Rosa und Hans Speidel 1952 in Bodelshausen. Dort befindet sich noch heute der Hauptsitz des Unternehmens. Rund 200 Mitarbeiter arbeiten hier in der Verwaltung, Logistik,  Strickerei, Zuschneiderei und im Musteratelier. In eigenen Betrieben in Ungarn und Rumänien beschäftigt Speidel weitere 500 Personen. Speidel setzt als amfori BSCI-Mitglied auf faire Arbeitsbedingungen und  verwendet nachhaltige Rohstoffe wie Bio-Cotton, Viskose aus Bambus oder SeaCell.
www.speidel-lingerie.de