Viele afrikanische Länder sind reich an natürlichen Ressourcen. Die Mittelschicht wächst überdurchschnittlich schnell. Ausländische Investoren kommen überwiegend aus China, Indien und den USA. Aus Europa sind es vor allem Großbritannien, Frankreich und Italien, die bereits in afrikanischen Ländern aktiv sind. Abgesehen von den traditionellen Beziehungen zum Norden und Süden Afrikas stehen die Geschäftskontakte deutscher Firmen hingegen noch am Anfang. Die Herausforderungen in Afrika südlich der Sahara sind riesig. Infrastrukturmängel, unzureichende Bildung, Knappheiten und allgemeine Armut schrecken potenzielle Investoren ab. Doch die Zahlen sprechen für sich: An Afrika führt in den nächsten Jahren kein Weg vorbei – als Produktions- und Absatzmarkt.
GESAMTMASCHE-Grafik; Datenquelle: © Euromonitor International
Nachhaltig Wirtschaften heißt auch: rentabel Wirtschaften
Die internationale Entwicklungszusammenarbeit propagiert mit Blick auf Afrika häufig Maßnahmen zur Verbesserung der ökologischen und sozialen Produktionsbedingungen. Angesichts großer Lücken bei Ausstattung, Fachwissen und Produktivität muss häufig aber erst die Grundlage für eine rentable und qualitativ befriedigende Herstellung geschaffen werden. Das gilt auch für die Textilproduktion. Beispiel Äthiopien: Hier sind Ineffizienzen in der Produktion und logistische Mängel vom Baumwollanbau bis zur Näherei zu beheben. Dennoch punktet das Land mit dem Vorhandensein einer kompletten textilen Kette und einer reichen Textiltradition insbesondere bei Baumwolltextilien.
Partnerschaft für die textile Kette
Unterstützt vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung streben GESAMTMASCHE und der äthiopische Textil- und Bekleidungsverband ETGAMA eine Partnerschaft an. Nach ersten Kontakten anlässlich der African Sourcing & Fashion Week 2018, bei der GESAMTMASCHE auf dem deutschen Gemeinschaftsstand vertreten war, trafen sich die beiden Verbände im Juni 2019 erneut, um gemeinsame Aktionsfelder auszuloten. Vorstand und Geschäftsführung von ETGAMA freuen sich, dass endlich auch die textilen Vorstufen in den Fokus rücken. Bisher wird vor allem die Konfektion in Industrieparks staatlich gepusht. Dort sind zumeist große Investoren aus Fernost tätig, die Standardartikel für große Marken fertigen und kaum Vormaterialien im Inland beschaffen. Äthiopien verfügt über rund 250 Textil- und Bekleidungsbetriebe, die meisten davon familiengeführt. Gut zwanzig Unternehmen produzieren vollstufig. Schwerpunkte bilden die Bereiche Rundstrick sowie Baumwollgarn und -gewebe für Haustextilien.
Die Geschäftsführer der Partnerverbände: Silvia Jungbauer, GESAMTMASCHE, und Aegazi Hailemariam, ETGAMA
Local heroes
Wer im lokalen Markt tätig sein will, hat mit zahlreichen Engpässen zu kämpfen – vom Zugang zum Rohmaterial über den Transport bis zu knappen Finanzen. An dieser Stelle spielen Nachhaltigkeitsaspekte eine wichtige Rolle. Begrenzte Ressourcen und die Notwendigkeit von Recycling sind Nöte, die sich junge afrikanische Firmen erfolgreich zur Tugend gemacht haben. Gleichzeitig wird das reiche kulturelle Erbe Afrikas bei der modischen Gestaltung hervorgehoben. Daneben erleben traditionelle afrikanische Materialien ein Revival und werden international bekannt.
soleRebels: Green by Heritage
2004 hat Bethlehem Tilahun Alemu soleRebels mit der Idee gegründet, die vielfältigen und ökologisch nachhaltigen Materialien Äthiopiens für die Mode nutzbar zu machen. Mit der Schuhproduktion angefangen hat sie im Haus ihrer Großmutter. Heute leitet sie Afrikas am schnellsten wachsende Schuhmarke. Neben Komfort und Mode legt soleRebels Wert darauf, Beschäftigung in der eigenen Gemeinde zu schaffen. Ursprung des soleRebel-Schuhs sind die äthiopischen „Selate” und “Barabassp”-Schuhe. Die traditionellen Recycling-Treter mit Sohlen aus alten Autoreifen hat soleRebels zu hochwertigen Sandaletten, Sneakers und Ballerinas weiterentwickelt. Verwendet werden äthiopisches Leder sowie handgewebte Stoffe aus heimischem Hanf, Jute und Koba, der „falschen Banane“, die in Ostafrika als dürreresistenter Nahrungslieferant berühmt ist und dazuhin auch noch Fasern liefert. Öko-Träumerei? Nein, ein funktionierendes Geschäftsmodell. 2012 präsentierte das Forbes Magazine Bethlehem Alemu als „erfolgreichste Frau Afrikas“. 2018 eröffnete die afrikanische Schuhmarke ihr erstes deutsches Ladengeschäft in Hamburg. Daneben existieren weltweit Geschäfte in Europa, USA, China, Japan und weiteren Ländern.
Bilder: © solerebels
„Eigeninitiierte Marktlösungen sind der Schlüssel zu nachhaltigem Erfolg. Aber können Sie mir eine einzige afrikanische oder äthiopische Marke nennen, die weltweit bekannt ist? Eine einzige Marke, die ihren Mitarbeitern ähnliche Löhne zahlt wie internationale Hilfsorganisationen? Afrika braucht viel weniger Charity-Marken und viel mehr eigene starke Marken, die international erfolgreich sind und Hebelwirkung haben.“
Bethlehem Tilahun Alemu, Gründerin soleRebels
MnM Clothing Line: African prints for everybody
Die Macher von MnM verstehen sich nicht nur als Modehersteller, sondern auch als Design-Unternehmer. Gegründet wurde die tansanische Firma 2016 von Rahma Bajun, heute Kreativdirektorin von MnM. Ihre Liebe zu tansanischen und afrikanischen Prints war die Basis für die Gründung der Marke. „Wir setzen auf Qualität und bieten für Menschen jeden Alters und mit jeder Figur das Passende.“ Dabei wird auf die Bezahlbarkeit der Produkte Wert gelegt. Auch Deko- und Möbelstoffe sind im Angebot. In nur zwei Jahren hat Rahma Bajun Kunden sämtlicher Schichten und Altersgruppen in Tansania sowie in den Nachbarländern Kenia und Uganda erreicht. Über ihren Webshop hat die junge Firma inzwischen sogar Kunden in Australien, Deutschland und Schweden gewonnen.
„MnM lässt sich von der afrikanischen Kultur inspirieren und will afrikanischen Drucken nicht nur in Tansania, sondern in ganz Afrika und international zu einer neuen Blüte verhelfen.“
Rahma Bajun, Gründerin MnM Clothing Line
↘ mnm.co.tz
Bilder: © MnM Line Clothing
Koba: Falsche Banane als Multitalent
Koba oder Ensete wird in vielen afrikanischen Ländern, vor allem in Äthiopien, vielfältig genutzt und seit tausenden vonJahren kultiviert. Praktisch jeder Bestandteil der Pflanze findet Verwendung. Koba-Pflanzen sehen Bananenstauden zum Verwechseln ähnlich, tragen aber keine essbaren Früchte. Zur Ernährung dient vielmehr die aus dem Scheinstamm und dessen verdickter Basis gewonnene Stärke. Pseudo-Stamm und Blattrippen liefern Fasern zur Herstellung von Seilen, Matten und Säcken. Die Fasern können auch für grobe Bezugsstoffe und in der Schuhindustrie eingesetzt werden. Als Ausbund natürlicher Effizienz regeneriert sich die Pflanze nach der Ernte. Sie braucht wenig Wasser und gedeiht ohne Dünger und Pestizide. In Äthiopien wird sie daher auch Freiheits- oder Hoffnungsbaum genannt.
Bild: © Italian boy – https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0
German Pavilion: AFSW – Africa Sourcing & Fashion Week
Vom 9. bis 12. November 2019 findet die Textil- und Bekleidungsmesse ASFW in Addis Abeba statt. Erstmals gibt es einen German Pavilion im Rahmen des regulären Auslandsmesseprogramms des Bundes. Auch die Teilnahme mit einem IZ-Stand ist möglich.
2018 präsentierten 270 Aussteller aus 25 Ländern Neuheiten und Trends aus den Bereichen Garne, Handarbeiten, Heimtextilien, Stoffe, Textilien und Textilmaschinen. 4 050 Messebesucher aus 30 Ländern nutzten die Messe als Informations- und Kommunikationsplattform.
Einzelheiten zur Messe, ein Factsheet sowie die Anmeldeunterlagen können im Mitgliederbereich von gesamtmasche.hosting2.tn-rechenzentrum1.de/ heruntergeladen werden.
Header-Bild: © Julian Hacker – pixabay.com