Die Ukraine und Moldau haben am 23. Juni 2022 den offiziellen Kandidatenstatus für den Beitritt zur Europäischen Union erhalten. Beide Länder haben wirtschaftlich, aber auch politisch einen gewaltigen Rückstand aufzuholen. Dazu zählen Defizite bei der Rechtsstaatlichkeit, der Medienfreiheit und dem Minderheitenschutz bewältigen. Korruption ist omnipräsent und der Einfluss der Oligarchen gewaltig Gleiches gilt für Georgien, das auf den EU-Beitrittskandidatenstatus hofft.
Lange und zähe Verhandlungen stehen an
Die Westbalkan-Staaten wissen es aus langjähriger Erfahrung: Der Kandidatenstatus führt nicht automatisch zu Beitrittsverhandlungen. Albanien, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien sind schon seit vielen Jahren Beitrittskandidaten. Verhandlungen gibt es bisher aber nur mit Serbien und Montenegro. Auch für die Ukraine und Moldau muss die EU-Kommission für jedes der 35 Verhandlungskapitel prüfen, inwieweit das nationale Recht an EU-Recht („acquis communautaire“) angepasst werden muss.
Nur ein Zehntel der deutschen Wirtschaftskraft
Zwar haben sich die Ukraine und Moldau in den letzten 20 Jahren viel dynamischer entwickelt als Deutschland. Bei der Wirtschaftsleistung aber erreichten die Ukraine, Moldau und Georgien 2021 mit etwas mehr als 4.000 Euro pro Kopf nur ein Zehntel des deutschen Niveaus. Am besten schneidet Moldau mit immerhin 14 Prozent des EU-Durchschnitts ab. Da nutzt es wenig, dass der Kohlendioxid-Ausstoß beider Länder wegen des niedrigeren Industrialisierungsgrads „klimafreundlich“ weit unter dem EUDurchschnitt liegt.
Monatslöhne unter 400 Euro
Die geringe Wirtschaftskraft spiegelt sich auch bei den Löhnen wider. Der Durchschnittsverdienst liegt in Moldau, Georgien und der Ukraine zwischen 380 und 440 Euro pro Monat. Die Beschäftigungsquote ist deutlich niedriger als in den meisten anderen EU-Staaten. In Moldau geht nicht einmal die Hälfte der Erwerbsfähigen einer offiziellen Beschäftigung nach.
EU ist schon jetzt der wichtigste Handelspartner
Beim Außenhandel sind die neuen Beitrittskandidaten bereits eng mit der EU verflochten. Moldau liefert rund zwei Drittel seiner Exporte in die EU, die Ukraine knapp die Hälfte. Für die deutsche Textil- und Bekleidungsbranche sind beide Länder in den letzten Jahren zu durchaus bedeutsamen Lohnkonfektionsstandorten herangereift, vor allem in den Bereichen Berufsbekleidung, Haustextilien und Lingerie. Mit der Ukraine, Moldau und Georgien unterhält die EU Freihandelsabkommen.
Höhere Finanzhilfen
Der Kandidatenstatus eröffnet der Ukraine und Moldau Zugang zu den sog. Vorbeitrittshilfen. Für die Kandidatenländer auf dem Westbalkan und für die Türkei sind über das Instrument für Heranführungshilfe (IPA) in den Jahren 2021 bis 2027 rund 14 Milliarden Euro vorgesehen. Aktuell unterstützt die EU die Reformtätigkeit der Regierungen in Kiew und Chisinau noch zum großen Teil über die Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP). Zwischen 2021 und 2027 stehen dafür insgesamt 19 Milliarden Euro zur Verfügung.
Vor der Corona-Pandemie hatte sich der Branchenaußenhandelmit der Ukraine stabil entwickelt, mit Lohnveredelungsgeschäften auf ähnlichem Niveau wie z. B. mit Ungarn oder Nordmazedonien. Das Freihandelsabkommen mit der Ukraine und dessen sukzessive Einbindung in den Abkommens-raum der Paneuromed bildeten einen günstigen Hintergrund. Nach coronabedingten Einbrüchen 2020/21 sind mit den Kriegshandungen sind die Handelsbeziehungen aktuell rapide zurückgegangen