Unausgegorene EU-Entwaldungsverordnung

Unausgegorene EU-Entwaldungsverordnung

Mit ihrer Entwaldungsverordnung lässt die EU die Unternehmen sprichwörtlich im Wald stehen. Der Start muss verschoben werden, fordert der Gesamtverband textil+mode.

Die Unternehmen der deutschen Textil- und Modeindustrie bekommen einmal mehr eine praxisferne und nicht umsetzbare Nachhaltigkeitsgesetzgebung zu spüren. Was zum Schutz von Wäldern gut gemeint ist, erweist sich in der Umsetzung als komplett praxisfern. Dreieinhalb Monate vor Anwendungsbeginn der EU-Entwaldungsverordnung fehlen wesentliche Informationen für die Unternehmen, wie sie sich gesetzeskonform verhalten sollen.

Uwe Mazura, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der deutschen Textil- und Modeindustrie: „Bundeskanzler Scholz hat EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen zurecht aufgefordert, die Verordnung auszusetzen, bis alle offenen Fragen geklärt sind. Die Verordnung muss nach den Worten des Kanzlers praxistauglich sein. Dieser Einschätzung schließen wir uns vollumfänglich an!“

Die Verordnung ist seit dem 29. Juni 2023 in Kraft. Ab dem 30. Dezember 2024 müssen weltweit Millionen Erzeuger und Händler von Kaffee, Kakao, Soja, Palmöl, Rindern, Häuten und Leder, Holz und Kautschuk umfangreiche Nachweise erbringen, dass ihre Waren aus entwaldungsfreien Anbaugebieten stammen, wenn sie diese weiterhin auf dem EU-Markt einführen und verkaufen wollen. Entwaldungsfrei bedeutet vereinfacht gesagt, dass für die Rohstoffe kein gesunder Wald abgeholzt wurde.

Betroffen sind jedoch nicht nur die genannten Rohstoffe, sondern auch vielerlei Waren daraus.

Allein in Deutschland müssen hunderttausende Unternehmen ihre Warenwirtschaftssysteme und das Lieferkettenmanagement an die zusätzlichen Nachweispflichten anpassen. Die bisher unzureichende Vorbereitung seitens der EU-Kommission wird im schlimmsten Fall dazu führen, dass die Unternehmen ihre Produkte nicht mehr gesetzeskonform in Verkehr bringen können. Es droht ein Fiasko.

Besonders kritisch ist das Fehlen eines rechtzeitig bereitgestellten IT-Systems durch die EU-Kommission, das erst kurz vor dem Stichtag einsatzbereit sein soll, in dem die Unternehmen ihre Sorgfaltspflichtenerklärungen händisch eingeben müssen. Des Weiteren fehlt es an wesentlichen Orientierungshilfen, wie etwa dem von der EU-Kommission angekündigten Guidance-Dokument, das Unternehmen bei der Anwendung der Verordnung unterstützen soll. Auch das Länder-Benchmarking, das entscheidend für die Risikobewertung von Produkten ist, wurde bisher nicht von der EU veröffentlicht. Ohne diese grundlegenden Informationen droht eine erhebliche Mehrbelastung für Unternehmen, ohne dass dies einen zusätzlichen Beitrag zum Schutz der Wälder leistet. Neben den bereits genannten Herausforderungen gibt es in der praktischen Anwendung der Verordnung noch zahlreiche Rechtsunsicherheiten, die dringend geklärt werden müssen. So ist beispielsweise die Handhabung von Holz und Pappe, das als Verpackungsmaterial verwendet wird, nicht eindeutig geregelt. Diese befinden sich in einer rechtlichen Grauzone, was die Compliance-Risiken für Unternehmen erhöht und die Planungssicherheit beeinträchtigt.