Weiterer Bürokratiewahnsinn durch die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR)? Bild ©: Ries Bosch - unsplash.com

Weiterer Bürokratiewahnsinn durch die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR)?

Entgegen ersten Annahmen werden auch Unternehmen der Textil- und Modebranche betroffen sein. Dabei sind viele wichtige Fragen der sehr komplexen Verordnung bis jetzt ungeklärt.

Ab dem 30. Dezember 2024 gilt die Verordnung über entwaldungsfreie Lieferketten (EU-Verordnung Nr. 2023/1115). Entgegen ersten Annahmen werden auch Unternehmen der Textil- und Modebranche betroffen sein. Dabei sind viele wichtige Fragen der sehr komplexen Verordnung bis jetzt ungeklärt.

Ziel der EUDR ist es die weltweite Entwaldung einzudämmen, die vor allem auf Rodungen für die Landwirtschaft zurückgeht. Ab dem 30.12.2024 dürfen deshalb die Rohstoffe Holz, Kakao, Kaffee, Kautschuk, Ölpalme, Soja und Rinder sowie daraus hergestellte Erzeugnisse, welche im Anhang I der Verordnung anhand von (Zoll-)Tarifpositionen benannt sind, nur dann in Verkehr gebracht werden, wenn sie entwaldungsfrei sind, gemäß den einschlägigen Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes erzeugt wurden und eine sogenannte Sorgfaltserklärung vorliegt.

Sowohl Unternehmen, die diese relevanten Rohstoffe oder Erzeugnisse erstmalig auf den EU-Markt bringen oder ausführen (Marktteilnehmer), als auch Unternehmen, die diese Rohstoffe und Erzeugnisse in der Lieferkette auf dem Markt bereitstellen (Händler), haben nach der Verordnung bestimmte Sorgfaltspflichten. Dabei gilt die Verordnung für große und mittelgroße Unternehmen bereits ab 30.12.2024, für kleine und Kleinstunternehmen (die 2 der 3 Merkmale nicht überschreiten: Bilanzsumme 5 Mio., Nettoerlöse 10 Mio., 50 Arbeitnehmer) ab 30.06.2025.

Marktteilnehmer

Um zu prüfen, bei welchen Erzeugnissen man als Marktteilnehmer unter die EU-Verordnung fällt, muss ein Abgleich der im Anhang I der EU-Verordnung genannten (Zoll-)Tarifpositionen (4-Steller) mit den meist im Einkauf vorliegenden Warentarifnummern (8-Steller), vorgenommen werden. Zu beachten sein werden die in Anhang I benannten relevanten Erzeugnisse aus Kautschuk und Holz. Zellulosebasierte Fasern (Viscose, Lyocell) stehen nicht auf der Liste. Allerdings fallen bspw. Holzkisten unter die Tarifposition 4415 und die meisten Papierprodukte unter die dort benannten Kapitel 47 und 48 der Kombinierten Nomenklatur; Bücher, Zeitungen und andere Erzeugnisse des grafischen Gewerbes unter das Kapitel 49. Wer bspw. Holzkisten oder Kartonagen zur Verpackung seiner Produkte aus dem EU-Ausland importiert ist Marktteilnehmer. Dies gilt nicht, wenn lediglich Waren in Holzkisten oder Kartonagen verpackt aus dem EU-Ausland bezogen werden. Auch bei Eigennutzung oder Eigenverbrauch relevanter Erzeugnisse fallen Direktimporte aus Nicht-EU-Staaten unter die Verordnung, was bspw. für Maschinenersatzteile aus Kautschukprodukten (Gummidichtungen u.ä.) der Fall sein kann und vom Zoll geprüft werden wird.

Händler

Schwieriger ist die Feststellung einer Betroffenheit als Händler. Auch hier ist ein Abgleich mit den in Anhang I der EU-Verordnung genannten (Zoll-)Tarifpositionen vorzunehmen. Aufgrund des Einkaufs innerhalb der EU werden hier allerdings oft keine Zolltarifnummern vorliegen. Eine Betroffenheit als „Händler“ wird nach aktuellem Sachstand bei den meisten Firmen bei Papierprodukten (z.B. Geschäftspapier, Flyer, Prospekte und Visitenkarten) vorliegen, soweit diese nicht aus 100% recyceltem Papier hergestellt wurden . Zudem ist aktuell durch die EU-Kommission nicht geklärt, inwieweit relevante Erzeugnisse, die in der EU erworben werden und lediglich im Unternehmen eigennützig gebraucht werden, ebenfalls unter die EU-Verordnung fallen, so bspw. Holzprodukte (für den eigenen Messebau, Klopapier für Mitarbeiter, etc.).

Pflichten von Marktteilnehmern und Händlern

Marktteilnehmer haben unabhängig von der Menge der erstmals in der EU bereitgestellten bzw. ausgeführten gelisteten Erzeugnisse sehr umfangreiche Sorgfaltspflichten. Die Sorgfaltspflicht umfasst zunächst die Sammlung von Informationen zum Erzeugnis, (Art, Menge, Geolokalisierung aller betroffenen Grundstücke, Daten aller Vorlieferanten, Daten zur Entwaldungsfreiheit und Rechtskonformität). Hier ist in der vorgelagerten Lieferkette sicherzustellen, dass diese Informationen vorliegen bzw. beschafft werden können. Hiernach ist eine Risikobewertung vorzunehmen und bei festgestelltem geringem Risiko -nur dann dürfen die Erzeugnisse in Verkehr gebracht werden- eine entsprechende Sorgfaltserklärung vor Inverkehrbringen an die Behörde zu übermitteln. Nicht-KMU-Händler müssen bezüglich relevanter Erzeugnisse eine eigene Sorgfaltspflichterklärung abgeben und dürfen dabei auf die Ihnen vom Marktteilnehmer übermittelte Sorgfaltserklärung nur verweisen, wenn sie festgestellt haben, dass die Sorgfaltspflicht auch erfüllt wurde. Lediglich KMU-Händler müssen bezüglich der relevanten Erzeugnisse „nur“ Informationen über Lieferanten und ggf. Händlerkunden, sowie die Referenznummern der betreffenden Sorgfaltserklärungen sammeln und dokumentieren.

Bewertung und Ausblick

Die Verordnung lässt durch den Einbezug auch von Händlern in den Anwendungsbereich jegliches Maß von Verhältnismäßigkeit vermissen. Hinzu kommt, dass bislang die Anwendung der VO bei Eigenverwendung von in der EU erworbenen relevanten Erzeugnissen nicht geklärt ist.

Die für die Umsetzung der Verordnung zuständige Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) hat eine FAQ-Sammlung der EU-Kommission auf ihrer Internetseite in deutscher Sprache zur Verfügung gestellt. Allerdings werden dort viele offene Fragen noch nicht beantwortet. Der für diesen Sommer angekündigte Leitfaden der EU liegt noch nicht vor. Die Bundesregierung setzt sich aktuell für eine Verschiebung der Verordnung auf EU-Ebene ein.

 

Kontakt:

RA Kai-Uwe Götz

Syndikusrechtsanwalt

Gesamtmasche

goetz@gesamtmasche.de